Neben dem Ryan- und dem Lauteraargrat habe ich in diesem Juli noch zwei weitere coole Granittouren gemacht, nämlich den Salbit Westgrat und die Traverse der Aiguilles Dorées, die ich mangels Zeit aber nicht in einem eigenen Blogeintrag detailliert beschrieben habe. Ich möchte hier aber dennoch ein paar Fotos und etwas Text zu beiden wirklich sehr schönen Unternehmungen anfügen.
Zum Einen war da der Salbit Westgrat zusammen mit Corina. Vorgestellt werden muss die Tour wohl kaum, es ist die längste Granitklettertour der Schweiz und wohl eine der längsten Klettertouren der Alpen überhaupt. Für mich ist es das zweite Mal, dass ich diese wunderbare Tour klettern darf, und natürlich eine besondere Freude, diese Tour zusammen mit Corina angehen zu können.
Wir übernachteten an diesem 10. Juli im Salbitbiwak, welches ziemlich voll war. Am Samstag dann ein sehr früher Start mit der Stirnlampe. Wir hatten keine Lust auf Überholmanöver, wenn wir die Ersten am Grat sind, dann können wir die ganz schnellen Seilschaften immer noch überholen lassen, ohne selber lange Wartezeiten riskieren zu müssen. Hier Corina in der sehr schönen Granitkletterei am zweiten Turm:
Der Grat ist ein stetiges Auf- und Ab, die Kletterei durchgehend von bester Qualität. Wir lassen eine italienische Führerseilschaft überholen, wirklich abhängen tun sie uns allerdings nicht. Wir sind ein eingespieltes Team und verlieren nicht viel Zeit mit den diversen Abseilmanövern.
Zu erwähnen bleibt noch ein bizarrer Vorfall: Wir haben den Turm zwei etwa um 9 Uhr erreicht. Danach hatte ich eine Weile lange nicht mehr auf meine Uhr geblickt. Als ich vor dem Turm vier wieder die Zeit checkte, zeigte die Uhr bereits 13:30 an. Irgendwie dünkte mich dies seltsam, denn die Kletterei am Turm drei dünkte mich jetzt nicht so kompliziert und zeitraubend, aber ok, es kann passieren dass man die Zeit völlig vergisst. Jedenfalls spulten wir den Turm vier (der mit der vielleicht besten Kletterei der ganzen Tour aufwartet) und fünf (die moralische Schlüsselstelle mit dem neuerdings ausgenagelten 15m-Quergang) in ordentlicher Zeit ab. Nochmals etwas Nerven sind im Pendelquergang am Hauptgipfel erforderlich:
Als letzte Prüfung kommt noch die gewaltige Seillänge über eine riesige Schuppe, welche im ersten Teil mit anstrengender A0-Kletterei und oben mit einer genialen Piazschuppe aufwartet.
Das Top erreichen wir (vermeintlich, siehe unten!) um 17:30, nach (vermeintlich) 13 Stunden. Wir machen uns zügig an den Abstieg, um in Göschenen noch eine Portion Pasta zu erhaschen, bevor wir den letzten Zug um 22 Uhr nehmen. Ausgehungert treffen wir nach fast vier Stunden Abstieg in Göschenen ein, wo Corina kurz den Fahrplan checkt - und feststellt, dass es gar nicht neun Uhr, sondern erst sieben Uhr ist! Das bedeutet nichts anderes, als dass sich meine Uhr irgendwo am Turm drei um zwei Stunden verstellt hat! Wir haben also doch nur elf Stunden für den Grat gebraucht. Tja, die zwei gewonnenen Stunden investierten wir dann in ein richtig feines Znacht in der Beiz, um diese tolle Tour gebührend zu feiern.
Facts:
Salbit, Westgrat, 6a A0, 36 SL
Material: Doppelseile 50m, Set Cams 0.5-3, Zackenschlingen (Keile kaum nötig). Steigeisen nicht nötig, gute Schuhe für den Abstieg aber empfehlenswert.
Die längste und in vielerlei Hinsicht auch beste Granittour der Schweiz wartet mit abwechslungsreicher Riss-, Piaz- und Kaminkletterei auf, und ist ein Muss für alpin orientierte Kletterer.
Zum Anderen war da die Traverse der Aiguilles Dorées vergangene Woche mit Thomas. Das Wetter hat jetzt, gegen Ende Juli, eher auf die mühsame Seite gewechselt, mit schwer zu prognostizierender Gewitteraktivität. Deshalb war eine Tour gefragt, welche eine rollende Tourenplanung ermöglicht, jeweils angepasst an die Wetterentwicklung und die subjektive Tagesform. Die Überschreitung der Aiguilles Dorées in Kombination mit dem Aiguilles Sans Nom Südgrat war da die ideale Tour, da sie zumindest bis in die Hälfte der Tour gute Rückzugsmöglichkeiten bietet. Der Südgrat verspricht eine schöne Klettertour im Schwierigkeitsgrad 5c und globaler Schwierigkeit S+. Also zumindest auf dem Papier ein anspruchsvolles Ziel.
Hier die schöne Abendstimmung von der Trient-Hütte aus.
Am nächsten Morgen starten wir um viertel vor fünf zur Aiguille Sans Nom. Dazu steigen wir am östlichen Ausläufer der Aiguilles Dorées vorbei, um über Firnhänge den Südgrat der Aiguille Sans Nom zu erreichen. Insgesamt sind etwa anderthalb Stunden Zustiegszeit einzuplanen.
Eine andere Seilschaft steigt vor uns in ein auf der westlichen Seite des Grates gelegenes Couloir ein. Uns dünkt aber der Direkteinstieg über einen roten Pfeiler irgendwie lohnender, schliesslich sind wir zum Klettern hier. Und tatsächlich, wir werden mit hübscher Kletterei im oberen vierten Grad belohnt. Allerdings wird schon hier klar, dass die Kletterei im Vergleich zu anderen Chamonix-Touren wie dem Ryan oder dem Moine Südgrat deutlich weniger zwingend ist. Dies verdeutlicht sich noch im oberen Teil des Grates. Hier klettern wir alles parallel, die Schwierigkeiten bewegen sich meist im 3. Grad und übersteigt nirgends den unteren fünften Grad. Abgesichert wird an Cams, Zackenschlingen und an einigen Bolts, die hie und da stecken. Als wir nach nur zwei Stunden Kletterzeit um halb neun die Aiguille Sans Nom erreichen, macht sich neben dem üblichen Gipfel-Hochgefühls auch eine leichte Enttäuschung breit - die versprochene anspruchsvolle Granitkrampferei im Grad 5c war irgendwie ausgeblieben.
Nun ja, was zu tun mit dem angebrochenen Tag? Der Himmel ist noch praktisch wolkenlos und die Lust auf mehr Abenteuer noch ungebrochen. Deshalb fällt uns der Entschluss leicht: Wir hängen gleich noch die Traverse ran!
In wenigen Minuten erreichen wir über leichten Fels (II) und zuletzt einen coolen Riss (III) den Gipfel der Tete Biselx. Hinten in etwas brüchigem Fels abklettern, eine andere Seilschaft überholen, 1x25m auf die Südseite abseilen und den nächsten Turm über ein Schuttband umgehen. Ein plattiges Grätchen abklettern, um die Bréche des Aiguilles Penchées zu erreichen. Diese werden in einer coolen Seillänge (III+) auf der Nordseite bestiegen.
Danach wieder abklettern, die Gendarmen jeweils auf der Nordseite umgehen (wir umgehen den Gendarmen vor der Varappe auf der Südseite, was eine recht exponierten Traverse beschert). Weiter geht es über den hier sehr schönen, leichten Kraxelgrat und ein Schuttband auf der Südseite in die Scharte zwischen den beiden Varappe-Gipfeln.
Wir befinden uns jetzt in der eindrücklichen Granitblock-Landschaft zwischen den Varappe-Gipfeln. Eine weitere Seillänge führt über leichtes Gelände auf den Westgipfel der Aiguille Varappe.
Die Uhr zeigt halb zwölf, wir haben für die Traverse bis hierher also gute zweieinhalb Stunden gebraucht. Als nächstes müssen wir die Abseilpiste, die der Hüttenwart der Trient-Hütte eingerichtet hat, lokalisieren. Sie befindet sich am westlichsten Ausläufer des W-Grates der Varappe, unmittelbar bei der Abbruchkante. Von hier seilen wir 2x45m auf ein horizontales Gratstück ab. Dieses nach vorne klettern, dann nochmals 2x45m bis in den Schneesattel abseilen. Von hier sind es dann nochmals 2x45m bis über den Bergschrund. Insgesamt ein problemloser, effizienter Abstieg, der auch kaum mehr als eine knappe Stunde in Anspruch nimmt. Die Wanderung zurück zur Sesselbahn braucht dann knappe drei Stunden. Erstaunlich übrigens, wie schnell sich das Wetter dann änderte: Bis zur Orny-Hütte noch praktisch keine Wolken, dann aber innert wenigen Minuten riesige Quellwolken. Die ersten Tropfen erwischen uns dann prompt noch auf dem Sessellift...
Facts:
Aiguilles Dorées, Aiguille Sans Nom Südgrat und Traverse nach Westen, ZS+, 5a
Material: Reduziertes Set Friends, Zackenschlingen, Doppelseil für den Abstieg. Für die Traverse selber wäre wohl ein Einfachseil bequemer. Wir haben Kletterfinken am Aig. Sans Nom Südgrat angehabt, wäre aber im Nachhinein nicht nötig gewesen.
Schöne Hochtour in meist gutem Fels. Insgesamt deutlich weniger anspruchsvoll als die bekannten Granitklassiker Grépon Mer de Glace oder Ryan-Grat. Trotzdem ist effizientes Seilhandling und sicheres Gehen im mittelschwerem Gelände essentiell, um nicht viel Zeit zu verlieren. Die Kombination mit dem Aiguille Sans Nom Südgrat verlängert die Kletterei, vermeidet allerdings die schwierigste SL der Gesamtüberschreitung. Deshalb insgesamt wohl ein Tick leichter.
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