Samstag, 25. Februar 2012

Metro - U-Bahn an der Breitwangflue

Die Breitwangflue soll ja das Nonplusultra des Eiskletterns in der Schweiz sein, ein Spot also, den man gesehen haben soll. Leider waren mir die Touren dort oben immer ein Tick zu furchteinflössend, um sie als Seilschaftsführer zu klettern. Umso toller natürlich, wenn man die Gelegenheit hat, eine der wilderen Touren sozusagen "im Sozius" zu klettern. 
Zu nachtschlafener Stunde geht es los, und tatsächlich sind wir die Ersten am Parkplatz bei der Forststrasse. Es soll sich später allerdings herausstellen, dass wir heute eh die einzigen an der Breitwangflue sind.
In mehr oder weniger gemütlichen Tempo (respektive was ich unter 'sportlich' und Chrigu unter 'gemütlich' versteht) steigen wir in gut anderhalb Stunden zur Wand hoch. Und tatsächlich, da stehen die mystischen Linien, jede ein Meilenstein. Wir schwanken etwas zwischen dem Crack Baby (welches Chrigu wohl schon ein gutes Dutzend Mal geklettert ist), dem Beta Rocker, und der Metro, und entscheiden uns schlussendlich für Letztere. Warum, weiss ich eigentlich nicht, aber mir solls recht sein. Klingt auf alle Fälle abenteuerlich. Über eine erste kurze Stufe (Wi3-) gelangt man in den Höllenschlund.
Man befindet sich jetzt in einer Art riesigen Kamins, gute 100 Meter hoch. Von den Wänden tropft es, es riecht leicht muffig, und von den Wänden glitzern Eiszapfen und hängen Schneebalkone. Ein netter Ort!
Da wir wenig Ahnung von den Schwierigkeiten der einzelnen Seillängen haben, und Chrigu schon ganz kribbelig auf die Kletterei ist, greift er gleich an. Eine hübsche, kurze Seillänge über die markante Kerze rechterhand, wohl so im Bereich Wi4+. Nach etwa 20 Meter erreicht er das Ende der Kerze, wo ein improvisierter Stand mit zwei Normalhaken ist, zudem hat es genügend Eis für Schrauben. Die zweite Seillänge dann schaut schon nach einer anderen Gangart aus. Chrigus Frage, ob ich vorsteigen möchte, ist wohl eher rhetorisch gemeint. Sie beginnt mit einer Mixed-Traverse in glattpoliertem Fels, mit einem Hook in einer feinen Glasur. Immerhin hat man den Standhaken praktisch vor der Nase.
Aber das ist erst der Anfang. Was jetzt folgt, ist ein Höllenritt in senkrechtem, mitunter auch überhängendem Eis der eher matschigen Konsistenz. Die Crux kommt nach etwa sechs Meter und besteht aus einer etwa zehn Meter langen, überhängenden Passage mit wenig Eis. Zudem wurde das Eis durch mehrere Schmelzzyklen zu riesigen Orgeln zusammengebacken, die entsprechend schwierig zu hacken sind. Kann mir gut vorstellen, dass es diese Stelle war, die bei der Erstbegehung eisfrei war und als A2 bewertet wurde.
Immerhin können die Schrauben in einigermassen vernünftiges Eis gesetzt werden. Es folgen weitere senkrechte Meter. Chrigu, der Mann ohne Nerven, steigt sauber vor und macht nach etwa 45 Meter Stand. Ich bin im Nachstieg ziemlich am Limit, der Glasur-Hook bricht mir aus und ich finde mich, Seildehnung sei Dank, vier Meter tiefer wieder. Die Kletterei ist extrem anhaltend, das Hauptproblem allerdings ist der Pressschnee, der teilweise das Eis bedeckt und durch die Wärme total matschig wurde. Des Öfteren rutscht das Gerät einfach durch. Bewertungen im Nachstieg sind immer schwierig, aber diese Seillänge ist definitiv viel schwieriger und heikler als alles, was ich bis jetzt geklettert bin, inklusive Thron und Hannibal. Denke mal, Wi6+ würde etwa passen, wobei es wohl auch bei guten Verhältnissen nicht weniger als Wi6 ist. Hier der Blick aus der Schlüsselstelle:
Der Stand ist urgemütlich, ich hange unter einem Eispilz, von diesem tropft das Wasser. Schon nach wenigen Sicherungsminuten spüre ich die Nässe in den Unterhosen, später sogar in den Schuhen. Zum Glück ist Chrigu ein effizienter Kletterer und braucht für die nächste Seillänge auch nicht viel mehr als eine halbe Stunde. Dabei hat es auch diese in sich: Wiederum betont senkrecht, wiederum teilweise miserables matschiges Eis. Vor allem aber sind es das Wasser, welches in Bächen fliesst und innerhalb von Minuten selbst den letzten Flecken trockener Haut nässen. Die Kunst hier ist es, die Nerven nicht zu verlieren, wenn man wieder kaum etwas sieht, weil man nach oben geschaut hat.
Auch Chrigu meint später, er sei noch nie eine so nasse Seillänge geklettert. Immerhin ist die Kletterei ein Tick einfacher, da 'nur' noch senkrecht. Bei den jetzigen Eisverhältnissen aber sicher immer noch im Bereich Wi6. Was für eine Erlösung, als ich am Stand am Rande des Schlundes ankomme, zurück im Tageslicht, und vor allem zurück im Trockenen. Leider ist für uns die Tour hier fertig, denn die Abschlusssäule steht nicht (wie offenbar noch oft).
Das Zeit ist zu gehen, zeigt uns ein kleiner Nassschneerutsch, der sich, just als wir am Stand angekommen sind, in den Schlund ergiesst.
In zweimal Abseilen gelangen wir wieder aus der Höhle, und können uns bei den Rucksäcken wieder etwas aufwärmen. Zeit wäre eigentlich noch genug, um eine weitere Route zu klettern, aber uns beiden ist der Appetit etwas vergangen. Zu ungemütlich wäre das Sichern in den nassen Kleidern. 


Facts:
Breitwangflue, Metro, Wi6+, etwa 150 Meter.
Ziemlich abenteuerliches Unterfangen in einem beängstigenden Höllenschlund. Sehr anhaltende, schwere Eiskletterei.
Material: Bei vernünftigen Verhältnissen (genug Eis) reicht das normale Eismaterial. Stirnlampe ist nicht notwendig, es hat genügend Licht auch am Grunde des Kamins. Achtung, es können sich durchaus Lawinen in den Schlund ergiessen.

Mittwoch, 22. Februar 2012

Das Minarett im Muotatal

Das Minarett gilt (zumindest im Hot Ice) als bester Eisfall im Muotatal, und nach einigen optimistischen Berichten in den einschlägigen Bergsteigerportalen ist diese Tour auf meine Wunschliste gerutscht. Laut Führer checkt sie bei Wi6- ein, was mir doch im Voraus einiges an Kopfzerbrechen bereitete. Bin ich der Tour gewachsen? Ist sie mehr schwierig als gefährlich, oder eher umgekehrt? Und könnte uns die Sonne, welche ab Mittag im Fall ist, uns einen Strich durch die Rechnung machen? Oder gar eine Lawine runterrauschen? Anyway, zumindest einen Versuch ist es wert, und bei einem Ablooser gäbe es ja mit den Twin Towers eine valable Ausweichtour.
Mit dem ersten Zug nach Brunnen, von dort mit dem Mobility ins Muotatal und auf dem schneebedeckten Strässchen ins Hürital, genauer gesagt bis Äbnet. Ab hier gehts dann mit Skis weiter ins Hürital, und zuletzt über einen schier endlosen Hang mit 1000 Spitzkehren an den Einstieg. Nach guten zwei Stunden teilweise anstrengendem Spuren haben wir es dann geschafft. Der Einstieg ist in einem engen Felsschluff. 
Bald haben wir die Schuhe gewechselt, die Schrauben entsichert, und los gehts. Eine erste Stufe, etwa Wi2, bereitet jedenfalls keine Schwierigkeiten, und das Schneefeld darüber ist höchstens aus lawinentechnischer Sicht problematisch, wobei es allerdings kaum über 30° ist. Von hier sieht man den Fall in seiner ganzen Pracht:
So eindrucksvoll sieht das Teil allerdings nicht aus. Vor allem auch die Wi6- Säule scheint extrem gut gewachsen, das Wasser scheint nichts von der "Minarett-Initiative" zu wissen, die den Bau von Minaretten untersagt.
Ich starte dann in die erste Seillänge. Von irgendwelchen röhrigen Säulen oder ähnlichem, wie im Führer erwähnt, ist nicht viel zu spüren. Vielmehr ist es kompaktes, recht gut zu kletterndes Eis, vielleicht in Tick spröde, aber nie unangenehm. Die Seillänge ist etwa 45 Meter lang, und kaum mehr als Wi4. 
Jetzt steigt Thomas vor, über leichteres Gelände (Wi3) erreicht er den Sockel der Säule und kann unter dem Felsüberhang hinter die Säule steigen und dort Stand machen. Hier hat es auch eine bereits vorhandene Eissanduhr zum Abseilen.
Interessantes Licht, wenn die Sonne von aussen auf das Eis scheint.
Jetzt folgt die Schlüssel-SL der Tour, mit einem furchterregenden Wi6- bewertet. Dass dies zur Zeit kaum zutreffend ist, zeigte eigentlich schon der Blick von unten auf das fett gewachsene Teil. Und tatsächlich, die kurze Seillänge bis über den Felsüberhang wartet mit knappen sechs senkrechten Metern in bestem 'Sorbet' auf, wohl etwa Wi4+. 
Der Stand bietet aber eine wunderschöne Aussicht über die Zentralschweizer Voralpen. Überhaupt ist die lanschaftliche Schönheit wohl der Hauptpluspunkt dieser Tour.
Als Abschluss wartet noch eine hübsche, weniger steile Seillänge (Wi3-) durch einen hübschen Felsgully auf Thomas. Vom Abschlussstand an einem Baum linkerhand erreicht man mit 2x60 Meter abseilen das Schneefeld, und nochmals 50 Meter (Abseilen an Baum rechts) führt zurück an den Einstieg.


Facts:
Hürital, "Minarett", Wi4+, 200 Meter. Bei wenig Eis wahrscheinlich erheblich schwieriger.
Landschaftlich sehr reizvolle Tour, allerdings gibts an anderen Orten mehr Klettermeter für wesentlich weniger Zustieg. Viel sonniger Genuss ist aber garantiert!
Die Sonne scheint Mitte Februar ab 12 Uhr in die Säule, und etwa ab 12:45 in den unteren Teil.