Sonntag, 24. Januar 2016

Cogne 16

Das Highlight des Januars ist jeweils die Eiskletterwoche mit den Freunden vom SAC Albis. Viele potentielle Ziele wurden diskutiert, aber schlussendlich fällt der Entscheid fast einstimmig einmal mehr auf Cogne, dem italienischen Eisklettermekka. Bekanntermassen sind die Eis-Verhältnisse im ganzen Alpenraum äusserst bescheiden, und in Cogne hat man neben einer perfekten Infrastruktur und unkomplizierten Anfahrten respektive Zustiegen auch eine genug grosse Auswahl an Eisfällen, um eine Woche lang pickeln zu können. Arbeitsbedingt war für mich die Anfahrt erst am Montag, und deshalb die Woche leider etwas verkürzt. Am Anreisetag selber reichte Zeit gerade gut aus für eine Seillänge an der Cascade de Lillaz, respektive an der künstlich bewässerten Felswand linkerhand. Die Verhältnisse an der Cascade sind recht gut, an der Felswand linkerhand höchstens mässig, viele Routen lassen sich höchstens im Toprope vernünftig klettern.

Am Dienstag dann für mich der erste 'richtige' Eisklettertag der Saison - für mich ein ungewohnt später Einstieg in die schönste Nebensache der Welt, hat es schliesslich weder für einen herbstlichen Gully noch für eine Frühwinter-Eistour gereicht. Zusammen mit Thomas geht es ins hinterste Valnontey. Dort locken die zwei schöne Wi4-Routen "Fallo di Plutone" und "Coupe Money", die sehr selten geklettert werden und deshalb Einsamkeit garantieren. Um halb 10 - etwas spät, zugegebenermassen - laufen wir in Valnontey los. Dank einer guten Zustiegsspur erreichen wir mit den Tourenskis gute zwei Stunden später den Einstieg des linken Falles, des "Fallo di Plutone". 
Der Nachteil am Eisklettern ist, dass die 'Zwischensaison' jeweils gegen neun Monate dauert, und man deshalb das Vertrauen in die Eisgeräte und die Frontzacken jeweils neu gewinnen muss. Die erste Länge am "Plutone" verlangt mir deshalb gleich einiges ab, obschon kaum 90° steil. Das Eis ist pickelhart, die Cogne-üblichen Hooklöcher nicht vorhanden. Als ich, endlich im flachen Gelände angekommen, die Pickel ins Eis wuchte, da knallt es laut, über mir bricht ein breiter Riss auf, aus dem sich ein Schwall Wasser ergiesst. Es gelingt mir grad noch zur Seite zu springen. Nach einigen Minuten versiegt das Wasser wieder und Thomas kann mit dem Nachstieg beginnen. Die zweite Länge ist deutlich leichter, die dritte Länge über einen dicken Vorhang dafür nochmals etwas schwerer. Allerdings ist hier das Eis besser gestuft, und ich auch bereits etwas besser eingeklettert. Mit 3x abseilen erreichen wir wieder den Einstieg.

Facts:
"Fallo di Plutone", Wi4, 3SL

Abgelegener Eisfall mit zwei steilen und einer flacheren Länge. Abseilstände gebohrt.

Die Uhr zeigt halb drei, die Motivation nach wie vor ungebrochen, deshalb queren wir nach rechts zum Einstieg der "Coupe Money". Dieser Fall ist ebenfalls schön gewachsen und von der Schwierigkeit her ähnlich wie sein linker Bruder. Eine erste SL steigt Thomas bis unter den Vorhang vor, Stand an Schrauben. Es wäre auch möglich, gleich den Vorhang anzuhängen, allerdings hat man dann potentiell Seilzug und gewinnt eigentlich nichts.
Der Vorhang selber ist zwar nicht übertrieben lang (auf etwa 5 Meter 90°), allerdings ist das Eis recht röhrig und glasig. Deshalb bin ich doch ziemlich gefordert, und als mir ein Frontzacken ausbricht gibts sogar fast noch einen Abflug. Schon ziemlich ausgepowert erreiche ich das Flachstück, wo ich einen Schraubenstand einrichte. Die dritte Länge führt über schönes, recht anhaltendes Wi3+ Gelände an einen eingerichteten Stand rechts am Fels. Von hier aus erreichen wir mit zweimaligem Abseilen (in der Mitte an einer Eis-Sanduhr) den Einstieg. Es ist mittlerweile nach fünf, höchste Zeit also für den Abstieg. Dank den Skis (ja, die nutzen hier tatsächlich) erreichen wir im letzten Tageslicht Valnontey.

Facts:
"Coupe Money", Wi4, 3SL
Schöner Fall, der verschieden schwere Varianten zulässt. Der einfachste Weg checkt etwa bei Wi4 ein (bei den aktuellen Verhältnissen vielleicht eher Wi4+).

Am Mittwoch geht es zusammen mit Theo und Sophie ins Valeille. Der ursprüngliche Plan war, die unbekannten Fälle im Talgrund (80 Folgarazione 89, Avazatta oder Ecknaton) auszukundschaften. Allerdings kommen wir im mühsamen, teils zuckrigen, teils harten Schnee nur langsam vorwärts. Als wir dann feststellen, dass die Avazatta überhaupt kein Eis hat, sinkt unsere Motivation, noch weiter ins lange Tal reinzulaufen. Hingegen lockt gleich über uns ein interessanter Eisschlauch, die "Pareri Contrastanti". Also nix wie los! Der Zustiegs-Hang zieht sich ziemlich, aber schliesslich erreichen wir nach etwas über zwei Stunden den Einstieg. 
Die Kletterei entpuppt sich zwar als leicht (max Wi3), aber doch recht lohnend: Die Route verläuft in einer engen Schlucht, die an einen Chamonix-Gully erinnert. Die zweite Länge ist mit 15m bis zu 80° am schwierigsten, der Rest etwas einfacher. Am coolsten ist die vierte und letzte Seillänge, ein kaum mannsbreiter Eis-Streifen. Eindrücklich!
Als wir nach viermaligem Abseilen an gebohrten Ständen zurück am Einstieg stehen, ist die Zeit doch schon fortgeschritten, deshalb gehts gleich in die Bar in Lillaz. 

Facts
"Pareri Contrastanti", Wi3, 4 SL

Nette, leichte Kletterei, landschaftlich eindrücklich, mit allerdings etwas langem Zustieg. Bei Lawinengefahr zu meiden. Zudem kanalisiert der Gully alles Eis, deshalb ungeeignet für mehrere Seilschaften.

Am Donnerstag möchten wir mal eine völlig neue Gegend auskundschaften. So fahren wir hoch ins malerisch gelegene Örtchen Gimillan. Von hier wandern wir mit den Tourenskis ins abgelegene Hochtal Grauson. Hier locken mehrere unbekannte Fälle, unter anderem die "Oceano Polare", die laut Internet gute Verhältnisse haben soll. Nach einer Stunde stehen wir in einem einsamen Kessel, der von einem eindrücklichen Eisfall dominiert wird. Zu Fuss steigen wir ein Schneecouloir hoch bis unter den Einstieg. Dieter und Marek attackieren die rechte Seite, im Führer eben "Oceano Polare" genannt. Claude und ich hingegen steigen links ein - diese Variante wird "G.C.G. '93" genannt und ist noch etwas steiler. So können wir dem Eisschlag von der jeweils anderen Seilschaft gut ausweichen. Die erste Länge steigt Claude vor, die Steilheit ist moderat, im Bereich 70°.
Links hinter dem Vorhang macht Claude Stand. Von hier aus quere ich ein paar Meter hinter dem Vorhang durch, um ein kleines Fenster im Eis zu finden. Ich investiere ein paar Minuten, um es soweit zu erweitern, dass ich mich ohne Rucksack grad knapp durchquetschen kann. Von hier aus sind es nur noch etwa vier senkrechte Meter, die ins flachere Gelände oberhalb der Steilstufe führen, wo ich Stand mache. Die dritte, kurze Länge quert nach links an einen gut sichtbaren, gebohrten Stand. Mit 1x60m abseilen stehen wir zurück am Einstieg, und beginnen den sonnigen Abstieg zurück nach Gimillan.


Facts:
"Oceano Polare" resp. "G.C.G. '93", Wi3-4, 2-3SL

Landschaftlich eindrückliche, abgelegene Tour mit toller Aussicht auf die hohen Berge. Wobei auch hier das Verhältnis zwischen Zustiegs- und Klettermeter nicht ganz optimal ist. Recht alpines und lawinengefährliches Ambiente!

Am Freitag schlussendlich steht eine Tour mit Corina an. Geplant ist der "Grand Val" im Valnontey, einer der leichten Klassiker von Cogne. Am Einstieg angekommen treffen wir eine Dreierseilschaft, die grad abseilt. Sie meinen, der Fall sei zu stark unterspült und deshalb gefährlich. Schon werden Alternativen studiert, aber zur fortgeschrittenen Zeit sind eh schon überall Leute am klettern, und hier wären wir alleine... und so steigen wir ein, nach dem Motto "Lieber selber scheitern als sich zu früh ins Bockshorn jagen zu lassen". Und tatsächlich finden wir eine problemlos kletterbare Linie. Der Fall ist wirklich cool, ein steiler Eisschlauch in einer grossen Felsverschneidung. Hier der Blick auf die dritte Länge:
Facts:
"Grand Val" (Valnontey), Wi3, 3SL

Sehr schöne Tour in einer grossen Felsverschneidung. Der Bach führt recht viel Wasser, insbesondere die zweite Länge ist deshalb oftmals heikel unterspült. Deshalb finden sich die besten Verhältnisse oftmals in trockenen Jahren wie eben im 2016.

Am Abreisetag schliesslich greifen wir noch am "Lauson" an, ein sehr gut erreichbarer, sonniger Fall. Der direkte Aufstieg checkt etwa bei Wi3+ ein, hier teste ich im Toprope noch den kühnen Zapfeneinstieg rechts - das Eis schmilzt mir allerdings regelrecht unter den Sohlen weg!