Sonntag, 14. Oktober 2012

Tso Moriri Trek

Der Tso Moriri ist ein grosser See, der im Südosten von Ladakh, unweit der Grenze zu Tibet liegt. Es ist dies eine sehr abgelegene Gegend, welche kaum permanente Siedlungen hat und Heimat der Changtang-Nomaden ist. 

Wir haben uns für einen Trek in der Tso Moriri Region entschieden, weil der Kontrast zum Markha-Tal kaum grösser sein könnte: Im Markha-Tal bewegt man sich zwischen hohen Felswänden in einem fruchtbaren, grünen Talgrund. In der Tso Moriri Region sind die Berge hingegen abgeschliffen und aufgrund der sehr grossen Höhe der Täler wächst hier höchstens alpiner Rasen. Wir machen den eigentlich 'logischsten' Trek in diesem Gebiet, die Verbindung zwischen den beiden Seen Tso Kar und Tso Moriri. Neben den beiden spektakulären Seen verspricht er mehrere hohe Pässe und total einsame Hochtäler.

Eine fünfstündige Fahrt führt uns über den Taklang La, mit etwa 5300m einer der höchsten Strassenpässe der Welt, nach Panganugo in der Nähe vom Tso Kar, auf 4600m gelegen. Es gibt hier ein Teastall und ein paar Übernachtungszelte, aber jetzt, am Ende der Saison, ist alles ausgestorben. Vom Lager aus machen wir eine Wanderung auf den Gipfel im Westen vom Camp, der etwa 5100m hoch ist und schöne Blicke auf den Tso Kar bietet.
Der See selber wird mit einem dreiviertelstündigen Spaziergang vom Lagerplatz aus erreicht. Er ist salzig und Brutgebiet von unzähligen Gänsen, Enten und Watvögeln. Der See selber wird von Myriaden von kleinen Krebsen bewohnt und ist ein faszinierendes Ökosystem.
Da unser Ponymen einen 'Unfall' auf dem Weg hierher hatte (eines der Pferde ist im abgehauen, und er musste die ganze Nacht nach ihm suchen), starten wir mit einem Tag Verspätung auf unseren Trek. Dies zwingt uns, die beiden ersten Etappen aneinanderzuhängen. Dies ist allerdings im Nachhinein gesehen eine gute Entscheidung, denn ansonsten wären die ersten beiden Etappen etwas gar kurz gewesen.
Der erste Abschnitt findet auf einer Jeeppiste statt. Und schon hier wird klar, dass hier eine andere Musik spielt als im Markha-Tal. Die klare Luft und die riesigen, abgeschliffenen Hügel machen es extrem schwierig, Distanzen zu schätzen. Als Daumenregel gilt, dass man immer mindestens doppelt so lange braucht für eine Strecke, als man glaubt! Die Wanderung führt zuerst entlang des Sees, später durch eine riesige Halbwüste, wo wir Herden von tibetischen Wildeseln beobachten können. Nach etwa dreieinhalb Stunden erreichen wir Nuruchen, eine saisonal bewohnte Ansammlung von Lehmhütten. Weiter geht es über einen namenlosen, etwa 4900m hohen Pass (ist im Gelände offensichtlich). Im Bild unten ist der Pass genau über Corinas Kopf. Vom Kamerastandort zum Pass braucht es mindestens drei Stunden!
Hier ist der Rückblick vom Pass zum Tso Kar und dem ersten Lager, der am Fuss des rötlichen Berges hinter dem See liegen. Zu diesem Zeitpunkt liegen bereits fünf Stunden Marsch hinter uns, also gegen 20km!
Hinter dem Pass erreicht man ein einsames, hübsches Tälchen mit grünem Talgrund. Das zweite Lagerziel, Rajun Karu, läge eine weitere Gehstunde im Tal. Unser Ponyman hingegen schlägt das Lager gleich unter dem Pass auf, um so die Etappenlängen etwas anzugleichen (bis hierhin dauert die Etappe etwa sechs Stunden). Es ist ein toller Lagerplatz, und am Nachmittag hat der Bach sogar richtig angenehme Badetemperaturen - und dies auf fast 5000m!
Am nächsten Morgen wandern wir zuerst durch das flache Tal bis Rajun Karu, welches aus ein paar armseligen Lehmbehausungen und Unmengen von Whiskyflaschen besteht - das Nomadenleben ist eben nicht so romantisch wie man sich das vielleicht vorstellt! Von Rajun Karu geht es jetzt direkt zum Pass im Südosten hoch (und nicht wie auf der Karte eingezeichnet über den Kozur La). Der Pass heisst wahrscheinlich Kyamayuri La und ist etwa 5400m hoch. Hier der Rückblick vom Pass nach Rajun Karu, und dem Tso Kar im Hintergrund. 
Hinter dem Pass erreicht man das eindrückliche, riesige Hochtal von Gyamsharma. Spätestens hier wird klar, dass dies wohl 'the closest to Tibet without being in Tibet' ist, wie der Führer versprach. Eine fremde, exotische Landschaft, durch die gigantische Leere irgendwie beängstigend. Im Hintergrund locken mehrere 'leichte' Fast-6000er, aber bis dorthin würde man wiederum Stunden latschen...
Später treffen wir auf Nomaden, die hier, auf über 5100m, leben! 
Über einen weiteren, etwa 5300m hohen Pass (auf der Karte als Kostse La eingezeichnet) erreichen wir den Lagerplatz im Hochtal von Gyama. Hier im Abstieg nach Gyama, das Tagesziel von morgen, den Yalung Nyau La, bereits gut sichtbar links. 
Für diese anstrengende Tagesetappe brauchen wir über sechs Stunden. Der Lagerplatz liegt auf 5150m, und ich zahle trotz der eigentlich guten Akklimatisierung im Markha-Tal mit etwas Kopfweh für die Höhe. Dennoch, eine unvergessliche Nacht, die aber mit  -10° auch wirklich sehr kalt wird. Auf diesem Trek hat es sich übrigens ausgezahlt, dass wir darauf bestanden haben, ein Kochzelt mitzunehmen, welches wir beim Kochen mitbenutzen können. Denn bei diesen Temperaturen draussen zu kochen wäre definitiv jenseits von Genuss gewesen!
Die letzte Etappe führt über den Yalung Nyau La, 5450m, nach Korzok. Der Aufstieg zum Pass geht zuerst über eine faszinierende Weidebuckellandschaft, die jetzt, am frühen Morgen, steinhart gefroren ist.
Später führt ein kleines, eingeschnittenes Tälchen bis auf den Pass, der mühelos erreicht wird. Hinter dem Pass öffnet sich den Blick auf den riesigen, etwa 25km langen und bis zu 10km breiten Tso Moriri. 

Jetzt geht es zuerst den Umständen entsprechend steil hinunter, bevor wir dann eine riesige, wüstenähnliche Ebene erreichen. Über diese gelangen wir schlussendlich nach Korzok, einem kleinen Dorf am Ufer vom Tso Moriri. Korzok ist eine ärmliche, aber lebhafte Siedlung, es hat hier ein, zwei Guest Houses und ein kleines Beizchen, welches sogar Bier verkauft! Hier ist übrigens eines der höchsten Anbaugebiete der Welt für Gerste, auf über 4500m! Im Hintergrund sind die beiden Gipfel Lungser- und Chamser Kangri, welche als sehr einfach zu besteigende 6000er gelten. 
Stimmung am Tso Moriri. Das wilde Gebirgsmassiv im Hintergrund ist übrigens (laut Google Earth) das Gya-Massiv, etwa 6700m. Noch nie davon gehört? Ich auch nicht. Laut Internet wurde die Erstbesteigung des Hauptgipfels von einer indischen Expedition vor etwa 15 Jahren gemacht. Seither scheint sich kaum noch jemand in dieses Gebiet verirrt zu haben. Ich bin sicher, dort gäbe es noch Erstbesteigungen en masse zu holen!
Von Korzok schlussendlich fahren wir in einer siebenstündigen Fahrt zurück nach Leh. Die Fahrt führt durch die Indus-Schlucht, welche übrigens mit riesigen Granitwänden und massivem Potential für leichte bis extreme Klettertouren aufwartet. 

Facts:
Tso Kar - Tso Moriri Trek, T1, 3 Tage

Literatur: im Buch "Trekking in Ladakh" ist die Route nur sehr grob beschrieben. Auf der Karte "Ladakh Zanskar Sud", Editions Olizane, ist der kürzeste und logische Weg nicht eingezeichnet (s. meine Beschreibung oben), ansonsten leistet die Karte aber gute Dienste.

Ein abgelegener Trek in sehr grosser Höhe und Einsamkeit. Die Schwierigkeit liegt weniger in der Wegfindung und der technischen Schwierigkeit, als vielmehr im Wissen, dass man hier, Tagesmärsche entfernt vom nächsten Telefon, wirklich auf sich alleine gestellt ist. Eindrückliche, riesige, glattgeschliffene Hügel, welche das Trekking langwierig und fast schon meditativ sein lassen. Sicher etwas vom Exotischeren, was man in Indien haben kann! 

Material: Campingmaterial für Nachtemperaturen von bis zu -10° (Ende September). Hier macht es auch Sinn, ein Kochzelt dabeizuhaben. Die Wege sind alle wirklich supereinfach, solange kein Schnee liegt, reichen Halbschuhe.

Strategie: Homestay-Trekken kann man hier vergessen. Wir haben dieses Mal einen Guide dabeigehabt, einfach auch als Backup-Möglichkeit, falls etwas schiefgehen sollte. Zudem einen Ponyman für das Gepäck. Es war für unsere Agentur sehr schwierig, zu dieser Jahreszeit einen Ponyman aufzutreiben (weil Erntezeit ist), und wir mussten auch etwas tiefer in die Tasche greifen deswegen. Wiederum haben wir Ali shayoktravels@rediffmail.com engagiert für die Organisation.

Zeit: Der Trek kann problemlos in drei langen Tagen (plus je ein Tag für Hin- und Rückfahrt) bewältigt werden. Es ist allerdings enorm wichtig, gut akklimatisiert auf diesen Trek zu gehen! Bekommt man in Gyama ein Höhenlungenödem, dann hat man ein riesiges Problem - das flache Gelände erlaubt keine schnellen Abstiege!

Wichtiger Hinweis: Es ist dies eine der ökologisch sensibelsten Regionen der Welt. Es versteht sich deshalb von selbst, dass man allen Abfall wieder mitnehmen soll (und diesbezüglich auch ein Auge auf den Guide werfen, die Locals haben hier oft einen wenig nachhaltigen Ansatz). Toilettenpapier muss man verbrennen, und zudem sollte man die Ufer der beiden Seen zur Brutzeit der Vögel nicht betreten. 

Markha-Tal Trek

Nach einen intensiven und dank unbezahltem Urlaub erfolgreichen Bergsommer reisen Corina und ich Mitte September in den Ladakh in Nordindien, um dort zwei Treks zu machen. Ich möchte beide Treks kurz beschreiben, nicht weil die Wegfindung besonders schwierig wäre, sondern vielmehr um einen allgemeinen Eindruck der Landschaft und des Stils des Treks zu vermitteln.

Der Markha-Trek ist der wohl beliebteste Trek bei Leh. Dies, weil er von der Anfahrt her sehr kurz ist und durch ein wunderschönes Tal ohne Verkehrsinfrastruktur führt. Zudem führt der Trek über zwei hohe Pässe, und verspricht viel Abwechslung, was die Landschaft angeht. Aus akklimatisationstechnischen Gründen entscheiden wir uns für die 'leichte' Variante über Spituk, obschon die schwierigere Variante über den Stok La wunderschön sein soll. 
Nach einer kurzen Fahrt nach Spituk beginnt der Trek wenig inspirierend auf einer Teerstrasse.  Man wandert zuerst etwa zwei Stunden durch die Halbwüste, bevor sich das Tal verengt.
Aber auch hier wandert man nach wie vor auf einer Teerstrasse, die zum Glück kaum befahren wird. Ideal wäre es, wenn man Velos mieten würde und mit diesen bis ans Ende der Teerstrasse, etwa eine Stunde vor Zinchen, fahren würde. Alternativ könnte man natürlich mit dem Auto bis nach Zinchen fahren, was auch prompt eine andere Gruppe macht. Jedenfalls erreicht man nach etwa vier Stunden Zinchen, wo es ein Campingplatz und zwei, drei Häuser hat. Ob man in den Häusern übernachten kann, weiss ich nicht, der Campingplatz ist aber ok, wenn auch sehr staubig.
Die zweite Etappe verspricht bereits mehr Ursprünglichkeit. Der Fahrweg verschwindet, man wandert über einen hübschen Fussweg durch eine eindrückliche Schlucht. Kurz vor Rumbuk wird das Tal offener. Immer wieder fallen die Mani-Mauern auf, die mit Tierschädel 'geschmückt' sind. 
Etwas untypisch für die Jahreszeit ist das Wetter heute auf der eher wechselhaften Seite, es ist kühl, bewölkt, zeitweise fällt leichter Nieselregen. Nach Rumbuk führt der Weg durch eigentümliches, rötliches Gestein, welches selbst bei Regenwetter noch imposant aussieht. Nach etwa fünf Stunden erreichen wir Yurutse. Im herrschaftlichen Haus kann man Homestay machen, etwa 10 Minuten weiter befindet sich ein inoffizieller Zeltplatz. Man sollte sich unbedingt mit den Bauern absprechen, wo man genau Zelten kann, denn es befinden sich überall Felder. Leider hat es hier kein Toilettenhäuschen, man sollte sich infolgedessen etwas weiter vom Platz entfernen fürs 'Geschäft'.
Am späteren Nachmittag unternehme ich eine kurze Wanderung auf den Gipfel nördlich vom Zeltplatz. Dieser ist etwa 4700 Meter hoch, und bietet eine schöne Aussicht auf den Stok Kangri und die nächste Tagesetappe.
Zum Stok Kangri gilt übrigens folgendes zu sagen: Wir haben eine Besteigung nicht in Erwägung gezogen, weil uns die vermeintlich hohen Kosten von 500$ abgeschreckt haben. Wie wir allerdings erfahren haben, zahlt man gerade mal 2000 Rupien (etwa 30 CHF), wenn man die Besteigung in Leh organisiert.

Die dritte Etappe führt über den 4900m hohen Ganda La ins eigentliche Markha-Tal. Wir starten früh um sieben Uhr, denn es verspricht eine lange Wanderung zu werden. Der frühe Aufbruch zahlt sich schon bald aus, denn wir sind die ersten Menschen heute morgen, und können so unzählige Vögel, Hasen und Murmeltiere beobachten. Der Aufstieg zum Pass gestaltet sich recht mühelos, der Weg ist nirgendswo wirklich steil. Auf dem Pass herrscht ein ziemlicher Rummel, wir steigen darum auf den Hügel rechts vom Pass, wo wir unsere Ruhe haben und eine Mittagspause einlegen.
Allerdings ist die Sache hier noch nicht gelaufen, im Gegenteil. Der Abstieg nach Skiu zieht sich wirklich in die Länge! Bis Shingo ist das Tal offen, mit sanften Geröllhängen links und rechts. Shingo selber ist ein malerischer Weiler. Nach Shingo ändert sich die Landschaft vollständig. Wir betreten eine enge Schlucht aus unglaublichen Konglomeratblöcken. Tatsächlich habe ich bis jetzt wenig Konglomeratwände von solchen Dimensionen gesehen. Kurz vor Skiu wechselt das Gestein, der flache Talboden wird dominiert von riesigen, steilen Felswänden. Im Bild links einer der sehr seltenen Wachholderbäumen.
Obwohl schon vier Uhr ist, sind wir noch nicht am Ziel. Vielmehr biegen wir bei Skiu ins Haupttal ein, welchem wir noch etwa eine halbe Stunde folgen, bis rechterhand ein schöner Zeltplatz kommt. Der Zeltplatz liegt direkt am Fluss, der hier in grossen Mäandern fliesst. Obwohl auf 3400m gelegen, ist die Luft angenehm warm, so dass wir uns ein Bad im Fluss nicht nehmen lassen! 
Die vierte Tagesetappe führt von Skiu in 22km nach Markha. Man darf sich nicht täuschen lassen, dass die Höhendifferenz nur 300m beträgt, denn der Weg führt mehrere Male über dem Talgrund, was doch zu einer deutlich grösseren Höhendifferenz führt. 
Der Weg ist allerdings nie langweilig, vielmehr gibt es so viel zu sehen entlang vom Weg! Besonders eindrücklich sind die gigantischen, steilen 'Moränen', wie es sie nur in Gebirgswüsten gibt.
Unterwegs bleibt auch noch Zeit, in einer der wenigen 'Tea-Stalls' ein Buttertee zu 'geniessen' (wenn man ihn den mag). Überhaupt, wir sind überrascht, wie wenig Menschen man hier trifft, obwohl der Markha-Trek ja der meistbegangenste Trek ist. Auf dieser ganzen Tagesetappe sind wir wohl kaum mehr als drei, vier anderen Trekkern begegnet, und auch Locals trifft man kaum an auf dem Weg.
Kurz vor Markha muss der Fluss durchwatet werden. Dies kann im Frühsommer, bei Schneeschmelze, durchaus mühsam sein, jetzt aber geht es prima. Wiederum erreichen wir den Zeltplatz, in unmittelbarer Nähe zu einem Homestay, erst gegen vier Uhr nachmittags. 
Die nächste Tagesetappe führt von Markha nach Tahungste. Auch wenn es im Führer nach einer kurzen Etappe ausschaut, darf man sich nicht täuschen lassen! Es steht nochmals ein anstrengender Tag bevor! Die erste 'Schlüsselstelle' folgt schon bald, eine weitere Flussdurchquerung:
Übrigens, man darf auf keinen Fall den im Führer als 'dangerous path' bezeichneten Weg nehmen, dieser ist nämlich über weite Strecken abgerutscht und kann gar nicht mehr begangen werden.
Wir stehen jetzt unter der Umlung Gompa. Das Kloster selber befindet sich etwa 100 Höhenmeter über dem Talgrund. Hochsteigen oder nicht? Wir entscheiden uns hochzusteigen. Und tatsächlich, es hat sich gelohnt! Oben angekommen begrüsst uns ein freundlicher Mönch. Er geleitet uns in einen dunklen Raum, zündet ein paar Kerzen an, und beginnt die Morgenpuja! Ein eindrückliches, wunderschönes Erlebnis für uns!
Vom Kloster aus hat man des weiteren auch eine schöne Aussicht auf das Tal.
Aber irgendwann müssen wir weitergehen. Der Weg führt durch den Weiler Umlung, wo es mehrere Teatents hat um sich zu verpflegen. In den extrem steilen Hängen vis-a-vis können wir mehrere Blue Sheep beobachten, die an unglaublichen Stellen herumspringen. Da würde sogar einem Schweizer Steinbock Angst und Bange werden!
Nach Hankar wird das Tal enger und steiler, und zum ersten Mal kommt der mächtige Kang Yatze ins Blickfeld. Und nach weiteren zwei Stunden, wiederum gegen 4 Uhr nachmittags, erreichen wir schlussendlich den Zeltplatz bei Tahungste. In unmittelbarer Nähe hat es mehrere Yaks, hoffentlich machen die keinen Ärger in der Nacht...
Die drei vergangenen Tagesetappen waren alle lang und haben Substanz gekostet. Deshalb sind wir dankbar, das die nächste Etappe nach Nimaling deutlich kürzer wird. Der Weg führt zu Beginn recht steil auf einen sanften Rücken. Auf der gegenüberliegenden Talseite hat es eindrücklich erodierte Felsformationen.
Immer schöner kommt auch der Kang Yatze zum Vorschein. Deutlich sichtbar auf dem Bild ist der sehr einfache Nebengipfel (rechts), der vom Hauptgipfel durch einen langen Grat getrennt ist. 
Eine kurze Recherche zeigt, dass sich die meisten Besteiger mit dem Nebengipfel zufrieden geben, welcher in einem Tag von Nimaling aus bestiegen werden kann. Der Verbindungsgrat ist schwieriger, aber glaub auch nicht ganz so wild wie es den Anschein macht. Ich frage mich allerdings, ob es nicht lohnender wäre, den Aufstieg über die steile Seracflanke links zu machen, was sicher eine lohnende, nicht allzu extreme Eistour wäre.
Nun, wir lassen den Kang Yatze beiseite und stellen das Zelt auf. Das Tal bei Nimaling ist flach und extrem weitläufig, eine Nachmittagswanderung mit Gipfelbesteigung ist hier nicht möglich!
Am späteren Nachmittag drückt tatsächlich eine Schlechtwetterfront rein. Allerdings bringt sie entgegen unseren Befürchtungen kein Schnee, sondern nur ein paar Regentropfen. Die Nacht wird mit etwa -7° bitterkalt, zum Glück haben wir unsere warmen Schlafsäcke dabei.
Am nächsten Tag folgt der 'Höhepunkt' des Treks, der Gongmaru La mit 5100m. Der Aufstieg von Nimaling ist gerade mal 400hm, so erreichen wir bereits am Mitte Vormittag den Pass. Vom Pass aus geniesst man eine tolle Aussicht auf die hohen Berge. Links vom Kang Yatze hat es mehrere Gipfel, die ebenfalls 6000m erreichen und wahrscheinlich kaum bestiegen werden, obwohl sie reicht leicht aussehen. 
Der Abstieg vom Pass ist zuoberst recht steil, unten dann betritt man eine weitere eindrückliche Schlucht aus roten Felsen. Die Überreste eines Packpferdes mahnen, dass der Weg auch für die Ponies nicht trivial ist.
Am frühen Nachmittag, etwa um 13 Uhr, erreichen wir bereits Chukirmo, wo der Zeltplatz ist. Die Homestay-Gruppen können etwas weiter, bis Chugdo absteigen. Allerdings würde es hier wohl Sinn machen, gleich nach Shing Sumdo abzusteigen, dann könnte man am selben Tag noch nach Leh zurückfahren. 
Auf der letzten Etappe, welche in etwa zweieinhalb Stunden nach Shing Sumdo führt, kann man nochmals eindrückliche erodierte Erdzacken beobachten.
Die Rückfahrt von Shing Sumdo nach Leh geht etwa anderthalb Stunden, vielleicht kann man den Fahrer motivieren, einen Umweg über Hemis zu machen, um das dortige Kloster noch zu besichtigen.

Facts:
Markha-Tal Trek, T2, sieben bis acht Tage.

Literatur: Trekking in Ladakh von Charlie Loram ist hilfreich und informativ.

Ein wunderschöner, sehr abwechslungsreicher Trek in einem (immer noch) ursprünglichen, erstaunlich einsamen Tal (kein Vergleich zu den bekannten Trekkinggebieten in Nepal!). Allerdings darf man sich nicht täuschen lassen ob der Tatsache, dass dies der meistbegangenste Trek in Ladakh ist, die ersten fünf Tagesetappen sind alle recht lang und anstrengend.

Material: Mitte September ist eigentlich eine ideale Zeit. Tagsüber sind die Temperaturen angenehm, man wandert im leichten Hemd. In der Nacht fallen die Temperaturen allerdings sogar in Skiu, am tiefsten Punkt des Treks, auf unter Null, und in Nimaling kann es schon bis -10° kalt werden. Von da her gesehen lohnt es sich wohl, bei einem Zelttrekking einen warmen Schlafsack mitzunehmen. Der Weg ist durchgehend sehr einfach, halbhohe Trekkingschuhe reichen aus. Stöcke fand ich nicht notwendig, denn auch der Abstieg vom Gongmaru La ist nur zuoberst auf etwa 200hm steil. Es hat im Markha-Tal keine Läden, eventuell kann man Fertignudeln und Riegel in einem der 'Tea-Stalls' kaufen.

Strategie: Es gibt grundsätzlich drei mögliche Ansätze, nämlich entweder einen 'Full-organized trek' inklusive Koch, Kochzelt und das ganze Zeugs, einen selbständigen Trek, wo man selber kocht, oder einen Homestay Trek. Die meisten Gruppen machen einen Homestay-Trek, wobei man sich hier nicht täuschen lassen darf, die meisten Homestays sind heutzutage veritable Lodges, ähnlich denen in Nepal. Wir haben uns für einen selbständigen Trek entschieden, wobei wir das Gepäck von Ponies tragen liessen. Die Hardcore-Variante wäre, das Zeugs selber zu tragen. Man spart dabei natürlich etwas Geld und gewinnt Flexibilität, aber ob es das wert ist... Bei einem 'Full-organized Trek' würde ich darauf bestehen, kein WC-Zelt mitzunehmen, dies ist im Markha-Tal wirklich nicht notwendig und auch unhygienischer. In allen offiziellen Campingplätzen gibt es saubere Ladakhi-Trockentoiletten.
Bezüglich Guide gilt folgendes: Grundsätzlich braucht es für einigermassen erfahrene Wanderer keinen Guide, der Weg ist mit dem Buch "Trekking in Ladakh" wirklich einfach zu finden. Ein guter Guide kann einem viel Interessantes erzählen zu Leben und Leute (wenn er denn gut genug Englisch kann). Andererseits haben viele Guides die Angewohnheit, eher zu schnell zu marschieren und wenig Pausen zu machen. Hat man das Gefühl, dass der Guide zu schnell unterwegs ist, kann man durchaus auch mal ein Machtwort sprechen. Während es total überflüssig ist, das Trekking von einem hiesigen Organisator aus zu buchen, lohnt es sich durchaus, eine lokale Agentur zu nehmen, die einem das Suchen der Ponymen erleichtert. Wir hatten sehr gute Erfahrungen mit Ali shayoktravels@rediffmail.com gemacht.

Zeit: Wir haben acht Tage für den Trek eingeplant, wenn man die erste Etappe fährt und auf der letzten Etappe gleich nach Shing Sumdo absteigt, würden aber sechs Tage reichen. Weniger als sechs Tage sind für Genusswanderer kaum realistisch.

Mittwoch, 29. August 2012

Bruch am Bietschhorn

Das Bietschhorn ist eine von weitem äusserst ästhetische Pyramide, die sich aus der Nähe als gigantischer Trümmerhaufen entpuppt. Dies ist kein Geheimnis, darum stand dieser Berg auch eher unten auf meiner Wunschliste. Mein Vater hingegen hatte den grossen Wunsch, diesen Berg ein Mal in seinem Leben noch zu besteigen. Und da es offensichtlich nicht einfach ist, Bergführer für diese Unternehmung zu motivieren (verstehe ich im Nachhinein auch), fiel mir die Entscheidung nicht schwer, mit ihm diese Tour zu machen. Etwas Recherche hat auch schnell gezeigt, dass der Ostsporn der wohl beste Aufstieg vermittelt. 
Als erstes Hindernis gilt es, einen der längsten Hüttenaufstiege der Schweiz zu bewältigen. Zu Beginn führt der Weg einer Suone entlang.
Später steigt der Weg steil an und überquert mehrere Male die grossen Bergbäche. Allerdings sind die Stege einwandfrei, anders als auch schon geschrieben.
Wir nehmen den Weg gemütlich und erreichen nach fünfeinhalb Stunden die Baltschiederklause. In der urchigen Hütte wird man mit einem Tee begrüsst, eine nette Geste, die man in anderen Gebieten nicht erlebt. 

Am nächsten Tag starten wir um zwanzig nach Vier. Mit uns am Start ist noch eine Vierergruppe, zudem attackiert eine Seilschaft den Nordgrat. Im Licht der Stirnlampe geht es auf dem recht ausgesetzten Weg Richtung Gletscher, Katzenaugen erleichtern die Wegfindung. Der Gletscher ist grösstenteils aper und eher auf der harmlosen Seite, die wenigen grossen Spalten können problemlos umgangen werden. Etwas spannender gestaltet sich der Übergang vom Eis auf den Sporn; wir versuchen es im untersten Teil, direkt oberhalb eines riesigen Schrundes. Geht ganz gut, nur gelangt man danach in mühsamstes Geröll. 
Ein weiterer schöner Tourentag kündigt sich an...
Wir kämpfen uns durch das lose Geröll und erreichen bald festeres Gelände an der Gratkante. Allerdings muss man auch hier permanent aufpassen, nicht Steine zu lösen, die nachfolgende Seilschaften treffen könnten.
Tolles Ambiente in der frühen Morgensonne!
Im unteren Teil des Sporns ist das Gelände noch nicht so steil und besteht meistens aus mehr oder weniger gut verfestigtem Geröll. Wir kommen gut voran.
Kurz bevor sich der Grat aufsteilt, wird es zum ersten Mal etwas spannender. Der Grat ist hier scharf und relativ ausgesetzt, es gilt, mehrere Zacken zu überklettern oder auf kleinen Bändern zu umgehen. Schwierig ist es zwar nie, erfordert aber dennoch einen gewissen Spürsinn für den einfachsten Weg.
Hier kommt auch schon die erste Schlüsselstelle, ein mit Bohrhaken abgesicherter Aufschwung im Grat. Klar, man könnte sich irgendwie rechts 'herumbescheissen', aber es ist schöner und eleganter, direkt über den Zahn zu steigen. Schliesslich sind wir auch ein bisschen zum Klettern hier.
Jetzt wird der Grat deutlich steiler, ohne jedoch schwieriger zu werden. Vom Charakter her kompakt und gutgriffig direkt auf der Kante, und äussert lose in den Flanken. Die Kraxelei ist genussvoll, auch Hannes gefällt es.
Plötzlich werden wir aufgeschreckt durch ein Poltern, durch das Couloir auf der rechten Seite ergiesst sich eine regelrechte Gerölllawine. Gut, hier würde wohl eh niemand hochgehen, aber trotzdem, kein schöner Anblick, den Bergen beim Vergehen zuschauen zu müssen. Der Grat ist zum Glück sicher vor spontanem Steinschlag, hingegen muss man aufpassen, nicht selber Steine zu lösen. So geschehen bei den vier Thurgauern, der Stein, welcher die vorangehende Seilschaft ausgelöst hat, trifft den Vordermann der hinteren Seilschaft. Glücklicherweise bleibt es bei einer Prellung (hoffe ich zumindest), eine Schmerztablette erlaubt ihnen das Weiterklettern. 
Im oberen Teil macht der Grat eine charakteristische Linkskurve. Wer meint, hier sei es schon geschehen, dem ist nicht so! Vielmehr steilt er sich noch einmal auf und wird kompakter. Hier befindet sich die nominelle Schlüsselstelle der Tour, ein mit Bohrhaken abgesicherter Vierer. 
Wobei, es muss schon auch gesagt sein, mit Chamonix-Vierern hat das hier nicht viel zu tun, schlussendlich muss man, ein, zweimal kurz zupacken und schon ist man oben. Und wahrscheinlich könnte man auch hier die schwierige Stelle umgehen.
Jedenfalls kommt auch Hannes problemlos hoch, und wir erreichen leichteres Gelände. Über grosse, teils lose Blöcke kraxeln wir über den obersten Teil der Südost-Grates. Ein kurzer, horizontaler Grat führt schliesslich zum Gipfelkreuz. Die Mühen werden durch eine tolle Aussicht vom Bernina bis zum Mont Blanc belohnt!
Aber Achtung, beim Bietschhorn gilt, dass die Tour erst zu Ende ist, wenn man wieder den Gletscher erreicht hat! Als Abstieg wählen wir den Westgrat, er ist etwas einfacher und führt, im Gegensatz zum Nordgrat, via Bietschhornhütte direkt ins Tal. Der Westgrat ist nur gerade im obersten Teil kompakt und schwierig, der grösste Teil des Grates besteht aus grossblockigem Geröll. Man kann hier wohl viel Zeit vertörlen, wenn man sich an die Kante hält, hingegen kommt man schnell voran, wenn man die Wegspuren in der Südflanke benutzt.
Jedenfalls brauchen wir gerade mal zweieinhalb Stunden vom Gipfel bis zum Gratfuss. Hier packen wir das Seil ein. Allerdings ist man noch nicht im Tal! Nein, vielmehr queren wir zuerst horizontal über sterbende Gletscher bis zum Bietschjoch.
Dann folgt noch ein kniekillender Abstieg ins Tal. Es gibt wohl wenige Berge, die so wenig Luftdistanz zwischen Gipfel und Talort haben. Nach 2500 Höhenmeter Abstieg fühlen wir uns wie nach nach einem Besuch in der Waschmaschine. Da mag auch die Käseschnitte und der halbe Fendant nicht mehr viel zu helfen...

Facts:
Bietschhorn, Ostsporn, S, IV, 4a
Der Ostsporn vermittelt den wohl schönsten und auch sichersten Aufstieg auf das Bietschhorn. Man darf deswegen aber keinen "Chamonix-Granit" erwarten, vielmehr ist der Sporn einfach etwas weniger brüchig als die anderen Grate. Schlussendlich besteigt wohl niemand das Bietschhorn wegem dem Aufstieg, sondern halt wegem dem Bietschhorn. Der Westgrat ist ein vernünftiger Abstieg, der mit der richtigen Strategie und der optimalen Wegfindung effizient bewerkstelligt werden kann.
Material: Ein paar Zackenschlingen, etwa 4 Expresse, Keile und Friends sind eigentlich nicht nötig. Ein bis zwei Eisschrauben und ein guter Eispickel, falls der Übergang vom Gletscher auf den Sporn Probleme bereitet.

Dienstag, 21. August 2012

Mittellegi mal anders

Der Mittellegi-Grat am Eiger ist einer der grossen Klassiker im Berner Oberland, und gehört eigentlich in den Palmares eines jeden Alpinisten. Auch Corina hat schon lange von dieser Tour geträumt, und als sich eines der wenigen Schönwetter-Wochenenden ankündigt, war es endlich soweit. Eine telefonische Anfrage auf der Mittellegi-Hütte bestätigt allerdings, dass die Tour tatsächlich sehr beliebt und infolgedessen die Hütte total ausgebucht ist. Was tun? Nachdem ich vor einer Woche an der Verte erfahren habe, dass es gar nicht so ein grosses Problem ist, das Biwakmaterial über einen hohen Berg zu tragen, steht der Ersatzplan schnell fest: Anstatt wie üblich am ersten Tag in die Hütte und am nächsten Tag über den Eiger und die Eigerjöcher ins Jungfraujoch zu gehen, werden wir am ersten Tag gemütlich in die Hütte und gleich weiter auf den Eiger steigen, und dann ein Biwak im nördlichen Eigerjoch machen. Am zweiten Tag steht dann nur noch eine kurze Etappe an. 
Gesagt, getan. Und weil Bergsteigen ja auch Genuss sein soll, nehmen wir nicht am frühen Morgen den ersten Zug, sondern fahren bereits am Vortag auf die Kleine Scheidegg. Vom Eiger-Trail aus geniesst man einen eindrücklichen Blick in die Eiger-Nordwand, wo ich vor wenigen Tagen zusammen mit Chrigu die Freakonomics 7a+ geklettert habe.
Nach einem gemütlichen Zmorgen auf der Sonnenterrasse vom Berghaus Kleine Scheidegg nehmen wir den neun Uhr Zug. Bald sind wir im Stollen, der uns zur Eismeer führt.
Ähnlich wie bei den Touren um Chamonix gilt auch hier, von 0 auf 100 in zehn Minuten! Man steigt über ein Bändchen ab und seilt dann 20 Meter über den Bergschrund auf den Gletscher ab. Auf dem Challifirn wartet eine eindrückliche Riesenspalte, die aber dank einer gäbigen Spur einfacher überquert werden kann als gedacht.
Dann folgt auch gleich die erste Kletterstelle, eine mit Bohrhaken abgesicherte Seillänge im vierten Grad. Geht aber schlussendlich auch mit den Grossen ganz gut.
Danach wird das Gelände zwar einfacher, aber irgendwie auch deutlich mühsamer. Das Band ist zwar noch mehr oder weniger gut mit Steinmännchen markiert, aber irgendwann verliert sich dieses in einer steileren Wand. Jetzt muss man diagonal ansteigen, es gibt dutzende von kleineren Wegspuren, die sich alle verlieren. Prompt verpassen wir den besten Weg und stehen unversehens in unlustigem Gelände. Zum Glück ist es aber nur noch zwei Seillängen, bis wir den Grat erreichen, etwa 100 Meter von der Hütte entfernt. Nach dem Gschludergelände freuen wir uns jetzt auf schöne Gratkletterei.
Zuerst ist der Grat noch nicht so steil, über kürzere Aufschwünge geht es flott voran. Die Kletterei ist eigentlich ganz hübsch, wären da nur nicht...
... diese unmöglichen Fixseile! Man kann sie problemlos auslassen, sie sind auch nicht unbedingt dort angebracht, wo es am schwierigsten wäre. Vielmehr kommen sie einem halt in den Weg, und stören massiv das Landschaftsbild.
Hier ein Blick auf den oberen Teil des Mittellegi-Grates. Im Bild rechts ist das klettertechnische Highlight des Aufstiegs, frei geklettert liegt die Schwierigkeit wohl im unteren fünften Grat, der Fels ist solide. 
Nach dem grossen Turm folgt eine längere Fixseil-Hampelpassage auf der Nordseite, auch hier klettert man besser möglichst viel frei, ist auch weniger anstrengend für die Arme.
Danach wird der Grat flacher, ohne allerdings wesentlich einfacher zu werden. Vielmehr folgen immer mal wieder kürzere Aufschwünge, die man überklettern muss. Schlussendlich erreichen wir eine grosse Plattform, die den Übergang in den Firnteil vermittelt. Während bis hierhin der Aufstieg von den Temperaturen her sehr angenehm war - ich bin alles im T-Shirt geklettert - zahlen wir hier natürlich etwas für unsere ungewohnt späte Zeit. Der Firn ist aufgeweicht, die Traversen teilweise etwas heikel. Zum Glück hat es aber eine super ausgetrampelte Spur.
Dann endlich stehen wir auf dem Gipfel des Eigers. Um Abends um fünf Uhr natürlich völlig alleien - abgesehen von Gleitschirmfliegern, die um den Gipfel segeln! 
Gemütlich machen wir uns auf den Abstieg, wissend das es gar nicht mehr so weit ist! Der Südgrat ist zuerst einfach, wird dann aber bald steiler, und man muss mehrere Male 15-25 Meter abseilen.
Über zuletzt etwas unlustiges Gschludergelände erreichen wir das nördliche Eigerjoch. Und hier hat es tatsächlich auch eine flache Stelle mit weichem Kies, ideal für einen Biwakplatz! Corina stellt ihre Mauerbau-Kenntnisse zur Verfügung und verbessert den Schlafplatz, während ich mich der Küche widme. Am wärmsten Tag (Jungfraujoch neue Rekordtemperatur 12.8°) auch um halb acht Uhr abends im leichten Pulli! Im Hintergrund das 'Projekt' für morgen, die Überschreitung der Eigerjöcher.
Ein wunderbarer Abend in einer wilden Berglandschaft. So muss Bergsteigen sein!
Nach einer warmen Nacht erwachen wir am nächsten Morgen mit den ersten Sonnenstrahlen. Wie Ameisen krabbeln die Seilschaften bereits Richtung Eigergipfel, während wir noch den Kafi schlürfen. Schliesslich geht es auch für uns weiter.
Ein erstes, teils vereistes Schneefeld muss traversiert werden. Das zweite Firnfeld ist etwas weniger steil, und führt zum klettertechnisch interessantesten Teil des Grates.

Nach dem Firngrätchen folgt ein cooler, kurzer Gully, gefolgt von einem steilen Aufschwung. Laut Führer checkt die Stelle bei IV+ ein, das ist allerdings definitiv nicht Cotation Chamoniarde. Viel mehr als einen Dreier würde ich hier nicht veranschlagen, denn die Kletterei ist zwar den Umständen entsprechend steil, aber wirklich sehr grossgriffig.
Nach diesem Aufschwung legt sich der Grat zurück, schlussendlich zieht es sich dann aber noch, bis man endlich den Firn erreicht. Ein, zwei sorgfältige Schritte, dann erreichen wir den Gletscher. Und damit sukzessive auch wieder die Zivilisation. 

Facts:
Eiger, Mittellegi-Grat, S, IV, 4+

Einer der grossen Klassiker im Berner Oberland, der den wohl besten und zugänglichsten Aufstieg auf den Eiger vermittelt. Die Kletterei ist anhaltend, aber nie schwierig, und viele Stellen sind mit Fixseilen zugemüllt. Im Hüttenzustieg und im Südgrat ist Trittsicherheit im schuttigen T6-Gelände erforderlich. 
Begeht man wie wir den Mittellegi-Grat als Nachmittagstour mit Biwak, hat man den Vorteil, allfällige Staus und Gedränge zu vermeiden, dafür ist halt der Rucksack etwas schwerer und der Firn am Gipfel des Eigers schlechter. Den Mittellegi als Tagestour mit Abstieg über die Westflanke würde ich nur ausgewiesenen Liebhabern von Steilschutt empfehlen.

Material: 50m Seil, etwa 6 Expresse (um längere Strecken am gestreckten Seil parallel zu klettern), ein paar Zackenschlingen, evtl. ein stark reduziertes Set Klemmkeile und Friends, zwei Eisschrauben.