Montag, 27. Juli 2015

Granitgrate a discretion

Neben dem Ryan- und dem Lauteraargrat habe ich in diesem Juli noch zwei weitere coole Granittouren gemacht, nämlich den Salbit Westgrat und die Traverse der Aiguilles Dorées, die ich mangels Zeit aber nicht in einem eigenen Blogeintrag detailliert beschrieben habe. Ich möchte hier aber dennoch ein paar Fotos und etwas Text zu beiden wirklich sehr schönen Unternehmungen anfügen. 

Zum Einen war da der Salbit Westgrat zusammen mit Corina. Vorgestellt werden muss die Tour wohl kaum, es ist die längste Granitklettertour der Schweiz und wohl eine der längsten Klettertouren der Alpen überhaupt. Für mich ist es das zweite Mal, dass ich diese wunderbare Tour klettern darf, und natürlich eine besondere Freude, diese Tour zusammen mit Corina angehen zu können. 
Wir übernachteten an diesem 10. Juli im Salbitbiwak, welches ziemlich voll war. Am Samstag dann ein sehr früher Start mit der Stirnlampe. Wir hatten keine Lust auf Überholmanöver, wenn wir die Ersten am Grat sind, dann können wir die ganz schnellen Seilschaften immer noch überholen lassen, ohne selber lange Wartezeiten riskieren zu müssen. Hier Corina in der sehr schönen Granitkletterei am zweiten Turm:
Der Grat ist ein stetiges Auf- und Ab, die Kletterei durchgehend von bester Qualität. Wir lassen eine italienische Führerseilschaft überholen, wirklich abhängen tun sie uns allerdings nicht. Wir sind ein eingespieltes Team und verlieren nicht viel Zeit mit den diversen Abseilmanövern.
Zu erwähnen bleibt noch ein bizarrer Vorfall: Wir haben den Turm zwei etwa um 9 Uhr erreicht. Danach hatte ich eine Weile lange nicht mehr auf meine Uhr geblickt. Als ich vor dem Turm vier wieder die Zeit checkte, zeigte die Uhr bereits 13:30 an. Irgendwie dünkte mich dies seltsam, denn die Kletterei am Turm drei dünkte mich jetzt nicht so kompliziert und zeitraubend, aber ok, es kann passieren dass man die Zeit völlig vergisst. Jedenfalls spulten wir den Turm vier (der mit der vielleicht besten Kletterei der ganzen Tour aufwartet) und fünf (die moralische Schlüsselstelle mit dem neuerdings ausgenagelten 15m-Quergang) in ordentlicher Zeit ab. Nochmals etwas Nerven sind im Pendelquergang am Hauptgipfel erforderlich:
Als letzte Prüfung kommt noch die gewaltige Seillänge über eine riesige Schuppe, welche im ersten Teil mit anstrengender A0-Kletterei und oben mit einer genialen Piazschuppe aufwartet.
Das Top erreichen wir (vermeintlich, siehe unten!) um 17:30, nach (vermeintlich) 13 Stunden. Wir machen uns zügig an den Abstieg, um in Göschenen noch eine Portion Pasta zu erhaschen, bevor wir den letzten Zug um 22 Uhr nehmen. Ausgehungert treffen wir nach fast vier Stunden Abstieg in Göschenen ein, wo Corina kurz den Fahrplan checkt - und feststellt, dass es gar nicht neun Uhr, sondern erst sieben Uhr ist! Das bedeutet nichts anderes, als dass sich meine Uhr irgendwo am Turm drei um zwei Stunden verstellt hat! Wir haben also doch nur elf Stunden für den Grat gebraucht. Tja, die zwei gewonnenen Stunden investierten wir dann in ein richtig feines Znacht in der Beiz, um diese tolle Tour gebührend zu feiern.

Facts:
Salbit, Westgrat, 6a A0, 36 SL

Material: Doppelseile 50m, Set Cams 0.5-3, Zackenschlingen (Keile kaum nötig). Steigeisen nicht nötig, gute Schuhe für den Abstieg aber empfehlenswert.

Die längste und in vielerlei Hinsicht auch beste Granittour der Schweiz wartet mit abwechslungsreicher Riss-, Piaz- und Kaminkletterei auf, und ist ein Muss für alpin orientierte Kletterer. 



Zum Anderen war da die Traverse der Aiguilles Dorées vergangene Woche mit Thomas. Das Wetter hat jetzt, gegen Ende Juli, eher auf die mühsame Seite gewechselt, mit schwer zu prognostizierender Gewitteraktivität. Deshalb war eine Tour gefragt, welche eine rollende Tourenplanung ermöglicht, jeweils angepasst an die Wetterentwicklung und die subjektive Tagesform. Die Überschreitung der Aiguilles Dorées in Kombination mit dem Aiguilles Sans Nom Südgrat war da die ideale Tour, da sie zumindest bis in die Hälfte der Tour gute Rückzugsmöglichkeiten bietet. Der Südgrat verspricht eine schöne Klettertour im Schwierigkeitsgrad 5c und globaler Schwierigkeit S+. Also zumindest auf dem Papier ein anspruchsvolles Ziel. 
Hier die schöne Abendstimmung von der Trient-Hütte aus.
Am nächsten Morgen starten wir um viertel vor fünf zur Aiguille Sans Nom. Dazu steigen wir am östlichen Ausläufer der Aiguilles Dorées vorbei, um über Firnhänge den Südgrat der Aiguille Sans Nom zu erreichen. Insgesamt sind etwa anderthalb Stunden Zustiegszeit einzuplanen.
Eine andere Seilschaft steigt vor uns in ein auf der westlichen Seite des Grates gelegenes Couloir ein. Uns dünkt aber der Direkteinstieg über einen roten Pfeiler irgendwie lohnender, schliesslich sind wir zum Klettern hier. Und tatsächlich, wir werden mit hübscher Kletterei im oberen vierten Grad belohnt. Allerdings wird schon hier klar, dass die Kletterei im Vergleich zu anderen Chamonix-Touren wie dem Ryan oder dem Moine Südgrat deutlich weniger zwingend ist. Dies verdeutlicht sich noch im oberen Teil des Grates. Hier klettern wir alles parallel, die Schwierigkeiten bewegen sich meist im 3. Grad und übersteigt nirgends den unteren fünften Grad. Abgesichert wird an Cams, Zackenschlingen und an einigen Bolts, die hie und da stecken. Als wir nach nur zwei Stunden Kletterzeit um halb neun die Aiguille Sans Nom erreichen, macht sich neben dem üblichen Gipfel-Hochgefühls auch eine leichte Enttäuschung breit - die versprochene anspruchsvolle Granitkrampferei im Grad 5c war irgendwie ausgeblieben. 
Nun ja, was zu tun mit dem angebrochenen Tag? Der Himmel ist noch praktisch wolkenlos und die Lust auf mehr Abenteuer noch ungebrochen. Deshalb fällt uns der Entschluss leicht: Wir hängen gleich noch die Traverse ran! 
In wenigen Minuten erreichen wir über leichten Fels (II) und zuletzt einen coolen Riss (III) den Gipfel der Tete Biselx. Hinten in etwas brüchigem Fels abklettern, eine andere Seilschaft überholen, 1x25m auf die Südseite abseilen und den nächsten Turm über ein Schuttband umgehen. Ein plattiges Grätchen abklettern, um die Bréche des Aiguilles Penchées zu erreichen. Diese werden in einer coolen Seillänge (III+) auf der Nordseite bestiegen. 
Danach wieder abklettern, die Gendarmen jeweils auf der Nordseite umgehen (wir umgehen den Gendarmen vor der Varappe auf der Südseite, was eine recht exponierten Traverse beschert). Weiter geht es über den hier sehr schönen, leichten Kraxelgrat und ein Schuttband auf der Südseite in die Scharte zwischen den beiden Varappe-Gipfeln.
Wir befinden uns jetzt in der eindrücklichen Granitblock-Landschaft zwischen den Varappe-Gipfeln. Eine weitere Seillänge führt über leichtes Gelände auf den Westgipfel der Aiguille Varappe.
Die Uhr zeigt halb zwölf, wir haben für die Traverse bis hierher also gute zweieinhalb Stunden gebraucht. Als nächstes müssen wir die Abseilpiste, die der Hüttenwart der Trient-Hütte eingerichtet hat, lokalisieren. Sie befindet sich am westlichsten Ausläufer des W-Grates der Varappe, unmittelbar bei der Abbruchkante. Von hier seilen wir 2x45m auf ein horizontales Gratstück ab. Dieses nach vorne klettern, dann nochmals 2x45m bis in den Schneesattel abseilen. Von hier sind es dann nochmals 2x45m bis über den Bergschrund. Insgesamt ein problemloser, effizienter Abstieg, der auch kaum mehr als eine knappe Stunde in Anspruch nimmt. Die Wanderung zurück zur Sesselbahn braucht dann knappe drei Stunden. Erstaunlich übrigens, wie schnell sich das Wetter dann änderte: Bis zur Orny-Hütte noch praktisch keine Wolken, dann aber innert wenigen Minuten riesige Quellwolken. Die ersten Tropfen erwischen uns dann prompt noch auf dem Sessellift...

Facts:
Aiguilles Dorées, Aiguille Sans Nom Südgrat und Traverse nach Westen, ZS+, 5a

Material: Reduziertes Set Friends, Zackenschlingen, Doppelseil für den Abstieg. Für die Traverse selber wäre wohl ein Einfachseil bequemer. Wir haben Kletterfinken am Aig. Sans Nom Südgrat angehabt, wäre aber im Nachhinein nicht nötig gewesen.

Schöne Hochtour in meist gutem Fels. Insgesamt deutlich weniger anspruchsvoll als die bekannten Granitklassiker Grépon Mer de Glace oder Ryan-Grat. Trotzdem ist effizientes Seilhandling und sicheres Gehen im mittelschwerem Gelände essentiell, um nicht viel Zeit zu verlieren. Die Kombination mit dem Aiguille Sans Nom Südgrat verlängert die Kletterei, vermeidet allerdings die schwierigste SL der Gesamtüberschreitung. Deshalb insgesamt wohl ein Tick leichter.

Mittwoch, 15. Juli 2015

Inverser Lauteraargrat

Zum zweiten Mal im Juli steht eine Tour mit Thomas an - ich habe mir einen guten Monat für meinen unbezahlten Urlaub ausgesucht! Dieses Mal soll es ausnahmsweise mal nicht nach Chamonix gehen, sondern ins Berner Oberland. Dort lockt "eine der schönsten Grattouren der Berner Alpen" (O-Ton SAC Führer), und zwar die berühmte Schreckhorn-Lauteraarhorn Überschreitung. Und da ich noch nie auf dem Lauteraarhorn stand, bietet es sich an, diese Tour mal auf die alpine Tick-List zu setzen. 
Etwas zu reden gab der genaue Ablauf dieser Tour. Üblicherweise wird die Überschreitung nämlich vom Schreckhorn in Richtung Lauteraarhorn gemacht. Allerdings hat dies den gewichtigen Nachteil, dass man vom Lauteraarhorn entweder einen heiklen Firnabstieg in der Mittagshitze machen muss, oder alternativ weitere lange Stunden im berüchtigten 'Schraubengang' abklettern muss. Beide Optionen dünken uns wenig anmächelig. Viel praktischer scheint uns, am frühen Morgen den Gipfel des Lauteraarhorns via das Südcouloir zu besteigen, und dann zum Schreckhorn rüberzuqueren. Der Abstieg vom Schreckhorn über die SW-Rippe kennen wir beide schon von früheren Touren und kann auch nachmittags ohne grössere Risiken bequem mit Abseilen gemacht werden. 

So beginnt die Tour am Montagmorgen auf dem Grimselpass. Ein langer Hüttenanstieg mit viel Horizontaldistanz führt uns durch eine ursprüngliche, wilde Landschaft ins Aarbiwak.
Die ausgeaperten Wände und schmelzenden Firnfelder bieten leider keinen besonders schönen Anblick - Kehrseite des Hitzesommers. Im Biwak selber ist von der Hitze allerdings wenig zu spüren, es weht ein kalter Wind, die Sonne versteckt sich hinter Wolken. Das alkoholfreie Bier (richtig gelesen, hat nur alkoholfreie Getränke im Biwak zu kaufen, 'richtiges' Bier muss man selber hochtragen) geniessen wir frierend auf dem Sonnenbänkli. 
Am nächsten Morgen starten wir sehr früh, um zwei Uhr, zum Lauteraarhorn. Ziel ist, den Gipfel kurz nach Sonnenaufgang zu erreichen. Kurzer Stimmungseinbruch, als ich feststelle, dass der Akku meiner Taschenlampe leer ist. So bin ich gezwungen, immer direkt neben Thomas zu gehen, um wenigstens ein bisschen von seiner Lampe profitieren zu können. 
Der unterste Teil des Südcouloirs gestaltet sich in ätzendem, rutschigen Geröll. Nervig, vor allem ohne Licht. Die Wegfindung ist zwar nicht ganz einfach, das Gelände aber überall recht leicht. Etwas weiter oben erreichen wir ein tief eingeschnittenes Couloir mit einer schmalen Schneezunge. Hier können wir endlich die Steigeisen anziehen. Der Firn ist gut durchgefroren und wir kommen effizient voran.
Pünktlich auf den Sonnenaufgang erreichen wir den Firnsattel kurz unter dem Gipfel des Lauteraarhorns. Ein magischer Moment!
Sonnenaufgang über dem Finsteraarhorn und dem Studerhorn mit seiner schönen, selten begangen Nordwand.
Thomas attackiert den kurzen, leichten SE-Grat aufs Lauteraarhorn. Im untersten Teil noch ohne Seil, später dann wechseln wir auf Seilsicherung.
Um 6:30, gute vier Stunden nachdem wir losgelaufen sind, erreichen wir den Gipfel des Lauteraarhorns. Von hier aus bietet sich ein schöner Blick auf den sehr, sehr langen Verbindungsgrat zum Schreckhorn. Was erwartet uns wohl hier?
Es erwarten uns dutzende von Türmchen, die in anregender, aber (leider) nie schwieriger Kletterei überwunden werden. Da wir die Tour in der S-N Richtung unternehmen, klettern wir jeweils über die plattigen, sonnigen Südseiten hoch. Der Abstieg über die steilere N-Seiten geschieht teilweise abkletternd, teilweise an improvisierten Ständen abseilend. 
Hier eine der typischen Kletterstellen - plattiger, aber gutmütiger Fels, der den dritten Grad kaum übersteigt. Kein Vergleich zum Chamonix-Granit mit seinen harten Rissen!
Im Voraus hatte ich erwartet, dass es mehr kombinierte Kletterei hat. Dem ist nicht so, man klettert eigentlich praktisch immer im Fels, Firnkontakte sind auf zwei, drei Stellen beschränkt. Dies dünkt mich irgendwie schade - ich denke auch, dass die Tour wohl Anfangs Saison, mit mehr Schnee am Grat, einen völlig anderen und sicherlich interessanteren Charakter bekäme. 
Nach etlichen Stunden Kraxeln erreichen wir den Schrecksattel. Wir sind jetzt auf dem alten Normalweg aufs Schreckhorn, deutlich zu erkennen an den leicht abgegriffenen Felsen am S-Grat. Absurderweise erwartet uns hier die bei weitem interessanteste und schwierigste Kletterei der ganzen Tour. Wir halten uns (wahrscheinlich fälschlicherweise) direkt an der Gratkante und werden mit exponierter Kletterei in bestem Gneis belohnt, der tatsächlich den vierten Grad streift. 
Der Südgrat aufs Schreckhorn nimmt nochmals eine gute Stunde in Anspruch, und nach etwas über fünf Stunden erreichen wir um 12 Uhr den Gipfel des Schreckhorns. Die meisten Seilschaften, die über den Normalweg gekommen sind, sind bereits abgestiegen. 
Der Abstieg gestaltet sich jetzt wie geplant problemlos. Man lässt einander einfach gegenseitig ab (mit einem 40m-Einfachseil geht dies meistens, aber nicht ganz überall!) und erreicht so problemlos den Bergschrund. Vom Gletscher aus zeigt sich die Überschreitung nochmals in ihrer ganzen Pracht.
Nach etwa viereinhalb Stunden erreichen wir die Schreckhornhütte, eine willkommene Gelegenheit die Speicher wieder aufzufüllen. Dranbleiben und Beissen ist dann das Motto des langen Hüttenweges nach Grindelwald, wo wir um halb 9 eintreffen. Ein langer Tag geht zu Ende!

Facts:
Schreckhorn, Lauteraargrat, S+, 4

Material: Genug Zackenschlingen, vielleicht zwei bis drei mittlere Friends. 

Eine lange Grattour ohne grosse technischen Schwierigkeiten, aber mit schlechten Rückzugsmöglichkeiten. Definitiv keine Tour bei gewitterhaftem Wetter! Vielleicht ist es wirklich eine der schönsten Touren im Berner Oberland - allerdings sind alle meine bisher in Chamonix gemachten Grattouren um ein Vielfaches interessanter! Die Schwierigkeitsangabe S+ ist aus dem SAC Führer übernommen, die Tour ist deutlich einfacher als ein S+ in Chamonix!
Unternimmt man die Überschreitung vom Lauteraarhorn zum Schreckhorn (S-N), hat dies den Vorteil, dass man den Gipfel des Lauteraarhorns am frühen Morgen erreicht und danach einen relativ unkomplizierten Abstieg vom Schreckhorn hat. Es kann sein, dass die Kletterei in der entgegengesetzten Richtung (N-S) etwas schwieriger ist, was je nach Optik ein Vor- oder Nachteil sein kann. 

Freitag, 3. Juli 2015

Zweimal Granitklassiker in Chamonix

Granitklassiker in Chamonix - ein Synonym nicht nur für besten Fels und wunderschönes hochalpines Ambiente, sondern auch für hart bewertete Riss-Schrubberei und traditionelle Absicherung. Jede Tour ist ein kleines Abenteuer, und zwar nicht im negativen Sinne! 

Der Auftakt ist der Nordnordost-Grat an der Aiguille de l'M - wie der Name schon andeutet, ist dies der von Chamonix aus gut sichtbare, M-förmige niedrigste und nördlichste Gipfel der Aiguilles de Chamonix. Der NNE-Grat ist eine zwar kurze, aber durchaus interessante Klettertour, die mit ein paar deftigen Offwidth-Passagen aufwarten kann. Der Zustieg von der Plan d'Aiguille zieht sich ziemlich, wir erwischen auch nicht den optimalsten Weg und brauchen so über zwei Stunden bis an den Einstieg. Dieser ist einfach zu finden und befindet sich am unteren Ende eines kleinen Firncouloirs. Die erste SL wartet auch gleich schon mit einer kniffligen Stelle auf, ein etwas abgelutschter Fingerriss, der aber gut mit kleinen Cams abgesichert werden kann. Corina geniesst die schöne Risskletterei.
Die zweite SL beginnt leicht, führt über einen kurzen, mit Nh gut abgesicherten Aufschwung, und endet auf einer grossen Terrasse. Jetzt folgt die Schlüssel-Länge, die von unten deutlich einfach ausschaut als sie ist! Eine Riss-Verschneidung, recht stumpf und glatt. Ich klettere das Ding, indem ich mein ganzes Bein im Riss verkeile und mich so, die Reibung zwischen Hose und Fels ausnutzend, hocharbeite. 
Die nächste Seillänge beginnt nochmals mit einem Riss, der allerdings etwas zugänglicher und gut mit einem 3er Cam absicherbar ist. Es folgen dann nochmals zwei etwas leichtere Längen, bevor wir den Gipfel der Aiguille de l'M erreichen. 
Der Abstieg gestaltet sich unkompliziert, mit zweimaligem Abseilen über die Südseite erreicht man den Col de Buche, von diesem führt ein gutes Weglein über einige Leitern auf den Glacier des Nantillons.

Facts:
Aiguille de l'M, NNE-Grat, S-, 4+ (cotation chamoniard, gefühlt etwa 6a).

Material: Set Cams 0.75 - 3, je nach Schneelage Steigeisen und Pickel für den Abstieg.

Kurzer, aber lohnender Klassiker abseits des Rummels. Die Offwidth-Risse sind recht knifflig und zudem etwas abgegriffen. 


Nur zwei Tage später geht es bereits wieder nach Chamonix - dieses Mal zusammen mit Thomas. Auf dem Menü steht der Ryan-Grat an der Aiguille de Plan. Diese Tour, bereits 1906 in 12 Stunden in einem Zuge von Montenvers aus erstbegangen, gilt als eine der schönsten Granitklettertouren mittleren Schwierigkeitsgrades. Heutzutage wird sie (zu Unrecht!) eher selten begangen. Nach der Tour steigt man typischerweise über den Midi-Plan-Grat zur Aiguille du Midi auf, somit ist klar dass das vollständige Hochtourenzeugs in den Rucksack muss.
Die Tour beginnt mit einem nachmittäglichen Hüttenaufstieg, dadurch steigt man im Bergschatten auf, was gerade bei den aktuellen Temperaturen ein grosser Vorteil ist. Nach einer ruhigen Nacht geht es schon sehr früh, um 3 Uhr, los. Es ist warm, eigentlich viel zu warm. Der Schnee ist überhaupt nicht gefroren, aber gut gesetzt, somit geht es sich recht angenehm. Nach knappen anderthalb Stunden steilt sich der Gletscher auf, wir erreichen die berüchtigten Bergschründe. Und ja, die haben es wirklich in sich! Ein erster Schrund lässt sich noch problemlos passieren, erfordert aber eine kurze Traverse in etwa 70° steilem Eis. Wirklich wild ist dann der zweite Schrund: Ein gigantisches, etwa 20m hohes, überhängendes und teilweise zusammengefallenes System von Eisblöcken. Auf der rechten Seite, unmittelbar bei den Felsen, steigen wir in den Höllenschlund ab, klettern über eine Art Schneebrücke, um dann ein Band auf den Randfelsen zu erreichen.
Wir klettern jetzt etwa 10m über leichten Fels hoch, um dann das obere Ende des Schrundes zu erreichen. Jetzt ist der Weg zum Ryan-Grat frei. Früher konnte man den Einstieg erreichen, indem man den ersten Sporn links umging. Dies ist heute aber meist nicht möglich, der zweite Bergschrund ist viel zu gross. Deshalb beginnt die Felskletterei für uns bereits am ersten Sporn. Wobei Felskletterei etwas untertrieben ist: Der einfachste Weg dünkt uns ein Verschneidungssystem auf der rechten Seite unmittelbar links des rechten Bergschrundes. Die Verschneidung ist teilweise mit Eis gefüllt, zuoberst blockiert eine Schneelippe den Ausstieg. Eine eigentlich recht interessante Mixed-Kletterei im Bereich M4, allerdings habe ich blöderweise die Handschuhe abgezogen, was mir einen deftigen Kuhnagel beschert (deshalb das verwackelte Föteli).
Rückblickend gesehen ist die diese SL wohl die technische Crux der Tour, wobei es mit weniger Schnee und Eis sicher einfacher wäre. Von hier aus gehen wir jetzt parallel in leichtem, etwas brüchigen Fels zum Biwakband, welches den Beginn der eigentlichen Kletterei 'markiert'. Mittlerweile erreichen uns die ersten Sonnenstrahlen, die Kraxelei wird zum Hochgenuss.
Als nächstes gilt es die Traverse nach rechts in Couloir zu finden. Vom Biwakband, unmittelbar bei der gut sichtbaren abgespaltenen Riesenschuppe, steigt man etwa 15m hoch, um dann ein zweites, kleineres Band zu erreichen, auf welchem wir mit einer langen Rechtsquerung das Couloir erreichen. Dieses ist gefürchtet wegen des Steinschlages. Etwas zu Unrecht, finde ich. Denn man braucht eigentlich gar nicht im Couloir zu klettern, sondern kann im Schnee auf der linken Seite hochsteigen. Wir machen hier den Fehler, ohne Steigeisen zu klettern, denn teilweise ist das Gelände eisig. Die Kletterei ist allerdings wirklich leicht, nach etwa einer halben Stunde erreichen wir die Gratschulter und wechseln auf die Kletterfinken. Übrigens, kleiner Hinweis an dieser Stelle: Auch wenn an manchen Orten geschrieben steht dass die Kletterei in den schweren Schuhen besser geht, dies ist sicher nicht so, denn vielfach muss man auch piazen, was definitiv angenehmer in den Finken ist. 
Von hier steigen wir leicht rechts des markanten Gendarmen auf - was auf dem Foto nach trivialer Blockkletterei ausschaut, entpuppt sich allerdings als deftige Verschneidungskletterei, und gibt einen Vorgeschmack auf das noch Kommende! 
Es folgt eine leichtere Seillänge mit einem hübschen, kleingriffigen Wändchen (5a), welches mit den Finken gut kletterbar ist.
Kurz darauf erreichen wir eine der berühmtesten Stellen, die 'Fissure de la grande mere': Eine fotogene, wie mit dem Lineal gezogene Rissverschneidung. 
Bild tk
Eindrücklich, aber schlussendlich gäbig zu klettern. Unbedingt den 3er Cam als Absicherung bereithalten!
Es folgt wieder eine etwas leichtere Seillänge leicht links der Gratkante. Und schon folgt die nächste Herausforderung: Ein tiefer, schattiger und schneegefüllter Kamin, der nur mit viel Körpereinsatz kletterbar ist. Der Rucksack ist hier hinderlich, man kann sich damit behelfen ihn an den Gurt zu hängen oder auf der Seite tragen. 
Eine weitere, wiederum leichtere Länge, dann stehen wir vor dem 'Y-Kamin'. Die Crux dieses imposanten Offwidths ist gleich zuunterst und erfordert wiederum 'Full body contact'. 
Bild tk
Hier Thomas in der darauf folgenden Seillänge - perfekter Granit Marke Chamonix!
Der Grat wird jetzt steiler und schärfer. Über eine luftige Platte (1 Nh), einen 'Geissenrücken' und einen Fingerriss (mehrere Nh) erreiche ich eine kleine Plattform, wo ich Stand an Cams mache.
Diese Plattform ist auf den ersten Blick eine Sackgasse - aber nein, man kann nach links auf einem Gesimse queren, um dann über schöne Risse leichteres Gelände zu erreichen. 
Wir befinden uns jetzt im obersten Teil des Grates, der hier mehr den Charakter einer gegliederten, recht steilen Wand hat. War die Routenfindung bis jetzt eigentlich problemlos, ist hier der leichteste Weg nicht mehr klar ersichtlich. Allerdings entdecken wir etwas weiter oben ein altes Fixseil, und dieses klettern wir an. Das Fixseil selber macht eigentlich keinen Sinn, die Stelle lässt sich in schöner Kletterei (etwa 5b) freiklettern. Wir erreichen ein kleines Band. Allerdings scheint hier wirklich fertig lustig zu sein. Glatte Wände verunmöglichen ein Weiterkommen! Als einziger Ausweg bietet sich ein stumpfer Riss an, der vollgestopft mit alten Klemmkeilen ist. Der Riss ist ziemlich schwer frei zu klettern, wohl so im Bereich um die 6b. Ich behelfe mir mit A0, geht insofern recht gut. Allerdings weiss ich bis heute nicht ob wir hier wirklich noch auf dem richtigen Weg waren. Anyway, wir erreichen jetzt endgültig leichtes Gelände, und erreichen über die Südwand in einer weiteren Seillänge den Gipfel der Aiguille de Plan - es ist mittlerweile viertel vor Eins, wir haben vom Einstieg also etwa siebeneinhalb Stunden gebraucht.
Hier ist die Tour allerdings noch nicht fertig, denn es folgt noch der Midi-Plan Grat hoch zur Aiguille du Midi. Der Schnee ist weich, die Kletterei hoch zum Rognon du Plan anstrengend. Immerhin, dank einer guten Spur geht die kombinierte Gratkletterei recht gut. Und so erreichen wir dreieinhalb Stunden später (inklusive einigen Pausen) die Bergstation, wo wir die leeren Speicher wieder füllen können!

Facts:
Aiguille du Plan, Ryan-Grat, S+, 5b, A0 

Material: Set Cams, insbesondere die grösseren Nummern (0.75 - 3), genug Zackenschlingen, Pickel, Steigeisen, Eisschrauben, evtl. zweites Eisgerät für den Vorsteiger.

Grosse Klettertour mit einem komplizierten Gletscherzustieg und einer hochalpinen Grattraverse als Abschluss. Sehr schöne, anstrengende Kletterei, unbedingt empfehlenswert!