Samstag, 17. September 2011

Schweizerpfeiler an der Drusenfluh

Eigentlich wäre an diesem Wochenende wieder ein Ausflug ins nahe Ausland geplant gewesen. Aber dafür war der Wetterbericht dann doch ein Tick zu schlecht... immerhin hat es sich angeboten, am Freitag wenigstens einen guten Eintäger in der Nähe zu machen. Nachdem sich im vergangenen Frühling die versprochene Abenteuertour am Zuestoll als klettergartenmässig eingebohrt herausgestellt hat, stellte sich natürlich die Frage, ob es sie überhaupt noch gibt, die nicht allzu extremen Klassiker, wo auch selber gelegt werden darf. 
Und ja, wir haben ihn gefunden - an der Drusenfluh, genauer am Schweizerpfeiler. Schon die Zufahrt ins Grüscher Älpli ist ein Testpiece, zum Glück müssen wir das Mobility-Auto danach nicht noch reinigen... Von dort geht es in anderthalb Stunden an den Wandfuss. Zuerst muss der Vorbau  durchklettert werden, geht gut in Trekkingschuhen ohne Seil.
Nach etwa 20 Minuten erreichen wir den Einstieg, der mit einem Muniring 'markiert' ist. Thomas gibt sich die erste Seillänge, immerhin ein Vierer, ordentlich schöne Plattenkletterei.
Auch an diesem Stand befindet sich ein neuer Muniring, daneben ist aber immer auch noch das alte Standmaterial belassen; so bekommt man einen Eindruck vom Engagement, welches vor der Sanierung nötig war. Die zweite Seillänge wartet gleich mit der ersten Schlüsselstelle auf, laut Topo 6a. Zuerst kommt ein Bohrhaken, danach hat es nur noch geschlagenes Material, allerdings derart dicht (etwa alle 1-2 Meter ein Normalhaken), das mir bald die Expresse ausgehen. Die Schlüsselstelle ist ein Rätikon-typischer Aufsteher an abschüssigen Tritten und leicht angespeckten Griffen. Aber eben, man hat zwei ordentlich gute Normalhaken auf Augenhöhe.
Allerdings sei schon an dieser Stelle gewarnt: So dicht wie in dieser Seillänge sind die Normalhaken nirgendwo sonst gesät! Die dritte Seillänge ist eine steile Verschneidung in nicht ganz zuverlässigem Fels, grundsätzlich aber gutmütig. Auch die vierte Länge, mit 5a bewertet, geht problemlos. Wir erreichen die grosse schuttige Rinne, welche bis an ihr oberes Ende verfolgt wird. Und hier beginnt dann auch der abenteuerlichere Teil der Kletterei. Der Auftakt ist eine gruselige, leicht überhängende Verschneidung, der Fels ist halt alpin, es lohnt sich jedenfalls, jeden Griff zu testen. Es stecken zwei Bohrhaken auf 30 Meter, dazwischen hat es ab und zu mal einen Normalhaken, aber bereits hier lohnt sich der Einsatz von Klemmkeilen.
Sehr empfehlenswert ist die Halbseiltechnik, nicht nur um den Seilzug zu reduzieren, sondern auch die Belastung auf die Haken... Ich fand die Kletterei jedenfalls ziemlich anspruchsvoll für einen 5a.
Weiter geht es mit einer etwas leichter zugänglichen 5c+, wobei hier die Schwierigkeit auf eine Einzelstelle kurz vor dem Stand konzentriert ist, welche zudem mit einem Bohrhaken entschärft ist. Als nächstes steht ein Kamin an, mit 5+ bewertet. Hier müssten eigentlich die Alarmglocken läuten. Zuerst versucht sich Thomas am Kamin, versucht sich durchzuzwängen, was aber mit dem Rucksack nicht geht. Besser geht es dann aussen durch, wobei man dann schon etwa 1 Meter über dem Bohrhaken steht an der schwierigsten Stelle. Oben dann wird es geringfügig leichter, dafür aber ohne jegliche vorhandene Absicherung. Ist allerdings perfektes Keilgelände. Nach dieser Seillänge wird man mit einer grossartigen Aussicht belohnt.
Jetzt haben wir den steilen Gipfelaufschwung erreicht. Dieser wartet mit teilweise ordentlich brüchigem, ungünstig geschichteten Gestein auf. Die erste der vier Abschlusslängen ist mit 5c+ bewertet, eine seichte Verschneidung, Absicherung vorwiegend an alten Haken. Es lohnt sich, wirklich nur die speckigen Griffe zu nehmen, denn das sind oft die einzigen zuverlässigen...
Weiter geht es mit einer weiteren 5c+. Hier wird es sogar noch ein Tick anspruchsvoller. 
Ein Riss, recht spärlich mit Normalhaken abgesichert. Das Problem ist weniger die klettertechnische Schwierigkeit, sondern mehr die Brüchigkeit. Obschon die Schwierigkeit moderat ist, können Stürze wegen des Gesteins nicht völlig ausgeschlossen werden, deshalb lohnt es sich, ab und zu etwas zu legen. Nach etwa 15 Meter folgt der einzige Bohrhaken, weiter geht es mit einer delikaten Querung und einem kleinen Überhang. Luftig und psychisch anspruchsvoll - und ideal, wieder mal die Halbseiltechnik zu üben.
Jetzt folgt der laut Führer "klettertechnische Höhepunkt": Der Abschlussüberhang, mit 5c bewertet. 
Nach einer kurzen, kniffligen Traverse (siehe oben) kommt zuerst ein Riss, anfangs noch leicht, dann sukzessive schwerer werdend. Auch hier wurde bei der Sanierung das Prinzip angewendet, dass das alte Material belassen wird. Blöderweise besteht hier das 'alte Material' nicht aus mässig zuverlässigen Normalhaken, sondern aus total vermoderten Holzkeilen! Diese halten wohl kaum das Eigengewicht der Expresse. Das heisst, dieser Riss, immerhin im unteren 6. Grad, will vollständig selber abgesichert werden. Und hier sind auch die Tritte total abschüssig, das heisst, man steht ziemlich unentspannt, während man mit den Keilen herumfummelt - etwa 15 Meter über dem Stand, notabene ohne Bohrhaken bis hierher. Intensiv und abenteuerlich, wie wir es uns gewünscht haben! Hier der Blick auf den Riss, wobei man sagen muss, dass man im Riss vorzüglich selber legen kann (und muss).
Nach dem Riss kommt dann tatsächlich ein Bohrhaken, bevor es ins Dach geht. Dieses ist im Vergleich zum Riss dann eher einfach, Riesenhenkel, gute Tritte, gute Absicherung. Aber schon sehr ausgesetzt. Nach dem Dach folgen noch etwa 8 leichte Meter bis zum Stand. Die letzte Seillänge, ein Vierer-Riss, will nochmals selber abgesichert werden. Schliesslich erreichen wir den Ausstieg, nach guten sechs Stunden Kletterzeit. Ein schöner Ausblick auf die Sulzfluh eröffnet sich uns.
Der Abstieg allerdings zieht sich dann ziemlich... zuerst über die schuttige Ostflanke, dann einem Stahlseil entlang ins Sporatobel, schliesslich auf einem guten Pfad zum Drusator. Bis hierhin dauert es schon mal fast anderthalb Stunden, allerdings muss man dann nochmals mit anderthalb Stunde rechnen bis zum Grüscher Älpli, welches wir grad vor dem Eindunkeln erreichen. Wahrscheinlich wäre man mit Abseilen fast schneller gewesen.


Facts:
Drusenfluh, grosser Turm, Schweizerführe, 6a, 600m.
Eine grosse Felstour mit nach oben zunehmenden Gesamtschwierigkeiten. Trotz eigentlich guter Absicherung sprich Absicherbarkeit psychisch recht anspruchsvoll, was insbesondere auch am nicht immer zuverlässigen Stein liegt. Keine Anfängertour, aber dafür ein tolles eintägiges Bergabenteuer. Bei der Sanierung wurde das Prinzip angewendet, dass Bohrhaken nur gesetzt werden, um fatale (potentiell tödliche) Stürze zu vermeiden, sprich, die Bohrhaken sind nicht unbedingt an den schwierigsten Stellen gesetzt.
Material: mindestens 12 Expresse, Schlingen zum Verlängern, Set Keile, reduziertes Set Friends, Halbseile, gute Schuhe für den Abstieg.