Dienstag, 10. Juni 2014

Mont Blanc im Juni

Der Mont Blanc ist ein Traumberg par excellence - deshalb muss ich nicht lange überlegen, als Corina den Wunsch äussert, ein letztes Mal diese Saison auf die Skis zu gehen, um den höchsten Gipfel der Alpen zu besteigen. Geplant ist die Überschreitung des Gipfels, mit dem Aufstieg über die vielgerühmte '3 Monts'-Route von der Aiguille du Midi, und Abfahrt via Nordwand und Grands Mulets.
Am Samstag etwas mühsame Anreise mit den öV, mühsam deswegen weil die Bauarbeiten noch nicht abgeschlossen sind und man deshalb kaum um Autostöppeln herumkommt. Fahrt auf die Aiguille du Midi und kurze Abfahrt in die Cosmiques-Hütte. 
Am Sonntagmorgen früh geht es los. Frühstück gibt es in der Hütte nur um 1 und 3 Uhr, ersteres dünkt mich etwas gar früh, letzteres definitiv ein Tick zu spät. Deshalb nehmen wir unseren Zmorgen selber mit und können so um 2 Uhr aufstehen. 
Nach einer kurzen Abfahrt zum Col du Midi binden wir die Skis auf den Rucksack. Die Nordflanke des Taculs ist ein Tick zu steil, um bequem mit den Skis hochzulaufen. Zudem hat es eine exzellente Spur, was das Gehen richtig angenehm macht. Im Bild unten hell erleuchtet die 'Schlüsselstelle' des Taculs, der grosse Bergschrund. Hier haben sich die Frühaufsteher wohl gestaut. Der Bergschrund ist nicht ganz einfach zu überwinden, man muss den Pickel irgendwie in den Tritten verklemmen, um so den leicht überhängenden Schneewall zu überwinden.
Zur Zeit geht die Spur am Tacul nicht nach rechts auf die Schulter, sondern links hoch auf den Nordgrat. Dies ist wohl objektiv sicherer, aber man macht etwa 50 Höhenmeter mehr.
Das Tageslicht erreicht den Tacul bereits etwa um halb fünf, schliesslich ist es einer der frühesten Sonnenaufgänge des Jahres. Tolle Aussicht vom Tacul Richtung Osten.
Hier schnallen wir die Skis an und fahren kurz ab bis unter die Maudit-Flanke. Hier wiederum Aufbinden der Skis.
Die berühmt-berüchtigte Maudit-Flanke ist dieses Jahr noch etwas komplizierter als normal: Im unteren Teil muss ein Steilaufschwung überwunden werden, und im oberen Teil versperrt ein grosser Bergschrund den Weg auf die Schulter rechts. Deshalb geht die Spur gerade hoch in die Schulter unmittelbar rechts des Gipfels. Der Hang ist hier etwa 45° steil und insgesamt fast 400 Meter hoch. Dank perfekter Spur lässt sich die steile Schneekraxelei jedoch gut bewältigen.
Nach dem Maudit steigen wir in den Col du Brenva ab. Dies ist einer der abgelegensten Flecken im Mont Blanc Massiv - auf 4300m gelegen führt jetzt der 'einfachste' Weg über den Gipfel des Mont Blancs. Wer sich hier von schlechtem Wetter überraschen lässt ist eine arme Sau! Dies ist heute jedoch kein Thema.
Mit aufgebundenen Skis wandern wir zur Mur de la Cote, die sich zu Fuss problemlos überwinden lässt. Mit den Skis an den Füssen würde es wohl schwieriger werden, denn der Schnee ist hart und der Hang gegen 45° steil. Oben angekommen können wir endlich die Felle aufziehen und mit Skis weitersteigen! Aber irgendwie zieht es sich von hier aus noch, obwohl es nur noch knappe 500hm sind. Immerhin, dank relativ guten Aufstiegsbedingungen kommen wir recht mühelos voran. Jetzt sind alle Gipfel niedriger:
Kurz nach 10 Uhr erreichen wir das 'Top of Europe', wo sich bereits eine stattliche Anzahl Bergsteiger eingefunden hat, die meisten mit Skis, einige auch zu Fuss. Diese sind nicht zu beneiden, denn während sie einen mehrstündigen, anstrengenden Abstieg vor sich haben, können wir uns auf eine tolle Abfahrt freuen! Zumindest landschaftlich hält sie auch was sie verspricht:
Die Nordwand des Mont Blancs ist zwar recht steil (so im Bereich 35°), aber gut eingepistet. Wirklich eindrücklich sind die teils riesigen Seracs. Es ist angebracht, hier etwas zügiger zu fahren. Hier der Rückblick auf die Nordwand:
Es ist wirklich eine total eindrückliche Gletscherlandschaft! Weiter geht es zum Corridor, der problemlos zu befahren ist. Mittlerweile ist der Schnee allerdings total durchfeuchtet, ab der Grands Mulets-Hütte ist es ein ziemlicher Krampf! 
Bei der Jonction müssen die Skis kurz abgeschnallt werden, um so zu Fuss über einen kleinen Serac zu klettern. Danach geht es aber wiederum mit den Skis bis unter die Aiguille Midi Nordwand. Hier fellen wir nochmals kurz an, um dann in einer langen Traverse Plan d'Aiguille zu erreichen. Diese Traverse ist wegen dem Lawinenschnee mühsam und auch nicht ganz ungefährlich, so gab es nur wenige Stunden nachdem wir dort durchgefahren sind eine Eislawine, die Tourengänger verletzt hat.
Zweieinhalb Stunden, nachdem wir auf dem Gipfel losgefahren sind, hocken wir bereits beim Bier zurück in Chamonix!

Facts:
Mont Blanc via '3 Monts', WS+ (skitechnische Schwierigkeit S)

Sehr schöne Hochtour in betont hochalpinem Ambiente. Die Skis müssen auf etwa 3/4 der Strecke getragen werden, deshalb wohl nix für die ultrabreiten Freerider. Die Abfahrt ist objektiv nicht ganz ungefährlich, im Aufstieg würde ich diesen Weg nie begehen wollen! 

Material: Gletscherseil, Steigeisen, Pickel, übliches Gletschermaterial.