Ein weiterer Ausflug mit Thomas in die Vertikale - heuer wieder mal in den heimischen Alpen, genauer im Oberaletsch. Das Ziel ist der Nordostgrat des Nesthorns, dieser gewaltige, aber kaum bekannte Fast-Viertausender. Zudem locken einige kaum bekanntere Granittouren an den etwas niedrigeren Bergen im Massiv. Zuerst gilt es aber in die Oberaletschhütte zu wandern. Von der Hütte aus hat man schon mal einen tollen, motivierenden Blick auf das Nesthorn mit seinem steilen, firnigen NE-Grat und den drei vorgelagerten Pfeilern. Hier am Abend:
Und hier am frühen Morgen, mit einem heimtückischen Nebel, der den Schutt auf dem Gletscher mit einer dünnen Schicht schlipfrigen Raureifs überzieht. Die Folge ist ein schmerzhafter Sturz auf mein Knie, und infolgedessen ein Motivationstief in beiden Tagen.
Nun gut, heute soll es zuerst ans südliche Wysshorn gehen. Laut Hüttenwart eine anspruchsvolle alpine Klettertour. Hier im Bild der steile Ostsporn.
Der Einstieg ist auf der NE-Seite, etwa 60hm oberhalb des tiefsten Punktes am Sporn. Die ersten zwei Seillängen sind brüchig, später wird es allerdings besser - leicht plattiger, mit Flechten überzogener Granit - steile Risse sucht man hier vergebens. Infolgedessen ist die Kletterei in den Bergschuhen teilweise delikat, aber dank den überschaubaren Schwierigkeiten kommen wir doch schnell voran.
Die Route ist leider mit vielen Bohrhaken eher überbohrt - nix mit alpinem Challenge. Als wir allerdings den steilen Gipfelaufschwung erreichen, bin ich wiederum froh um die Bolts. Die Kletterei - Piazen an geschlossenen Rissen - ist mit den Schweren nämlich wirklich kaum machbar, und so arbeite ich mich mit einer Mischung aus freier und technischer Kletterei hoch.
Nach etwa vier Stunden Klettern erreichen wir schliesslich den Gipfel. Von diesem steigen wir über die SW-Flanke ab. Zuerst über gäbige Schneefelder, dann mit zweimaligem Abseilen über einen steilen Felsriegel. Als Abschluss einen ätzenden Marsch über den Schuttgletscher zurück zur Hütte. Mein Knie schmerzt, und ich habe eigentlich überhaupt keine Lust auf eine weitere Tour.
Facts:
Südliches Wysshorn, E-Sporn, S, 5c, 500m
Hübsche Klettertour, auf der man garantiert alleine ist. Der Fels ist zuunterst schlecht, dann über weite Strecken ok, zuoberst sogar richtig gut. Lohnt allerdings kaum die lange Reise ins Gebiet.
Material: Etwa 8 Expresse, Kletterfinken empfehlenswert. 2 x 50 Meter ermöglichen das Abseilen über die Abseilpiste.
Beim Bier auf der Hütte kann ich mich dann aber doch wieder motivieren, den Nesthorn NE-Grat zu attackieren - zumindest über den leichtesten der drei Felssporne. Früh geht es los, um den langen, mühsamen Zustieg über unendliche Schuttwüsten, gefolgt von einem giftigen Gekraxel auf einem steilen Geröllfeld und einer Traverse auf den Felsplatten unter dem Nesthorn, der in einer kurzen Kletterei im dritten Grad gipfelt - so erreichen wir das Einstiegscouloir zum südlichen Sporn. Zu eben diesem Couloir hat der Hüttenwart noch gemeint, es sei wirklich speziell - weder Fels noch Eis, sondern gefrorener Sand, der sich mit zwei Eisgeräten prima klettern liesse. Na, schauen wir mal. Tatsache ist, es ist wirklich gefrorener Sand! Und ja, es ist auf 30 Meter gegen 70° steil. Sicherungsmöglichkeiten Fehlanzeige! Da weder ich noch Thomas Lust auf einen Free Solo haben, versuchen wir es im Fels zum umgehen. Aber auch hier Fehlanzeige - brüchig, steil, abweisen.
Schade, aber so muss halt der 'normale' NE-Grat als Fallback-Option herhalten. Zuerst über den leichten, firnbedeckten Gletscher bis über den Bergschrund, dann in zuerst brüchigem, später festem Granit auf den Grat.
Hier eröffnet sich ein grossartiger Blick in die Nesthorn N-Wand. Die sieht richtig cool aus - laut Hüttenwart ist der Fels von bester Qualität. Wenn sich jetzt im Herbst noch gutes Eis bildet, wäre das sicher ein super Projekt!
Wir folgen jetzt dem leichten Felsgrat, bis er sich in der eisigen Gipfelkalotte verliert. Hier nehmen wir die beiden Eisgeräte hervor, und hacken uns über den Firn, teilweise mit Blankeisunterlage, nach oben.
Die Steilheit beträgt meistens um die 45°, manchmal auch weniger, selten mehr. Grossartige Tief- und Weitblicke!
Zuoberst queren wir auf den grossen Hängegletscher raus, um über diesen den Gipfelgrat und den Gipfel zu erreichen. Es ist mittlerweile halb elf vorbei, wir haben also etwas über sieben Stunden gebraucht. Die Tour ist aber noch nicht fertig!
Vielmehr folgt ein leichter Abstieg über den Westgrat, dann Abseilen am Gredetschjoch, und schlussendlich eine unendlich langer, zermürbender Marsch durchs Gredetschtal. Nach fast 14 Stunden in Mund angekommen spüre ich kaum mehr meine Füsse. Hochtouren ist eben auch Schinden!
Facts:
Nesthorn, NE-Grat, S-, 45°, Fels III.
Sehr, sehr schöne Eistour auf einen unbekannten Gipfel - leider mit etwas gar langem Zu- und Abstieg. Das Ambiente ist wirklich wunderschön, und auch hier ist Einsamkeit garantiert. Von der Schwierigkeit her wohl irgendwo zwischen ZS+ und S-.
Material: Einige Schlingen, Friends und Kk kaum notwendig. Zwei Eisgeräte sind allerdings nützlich im Firn. Zum Abseilen am Gredetschjoch würde wohl ein 40 Meter Einfachseil reichen.
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