Sonntag, 24. März 2013

Roter Granit und graues Eis

Endlich wieder mal ein kurzes Schönwetterfenster, allerdings mit erheblicher Lawinengefahr. Was tun, wenn das Eis in den mittleren Höhenlagen schmilzt, es aber immer noch zu kalt für Fels ist? Die Antwort lautet, wie so oft, die Reise nach Chamonix auf sich zu nehmen, und dort ein paar Routen mit Spass- und Adrenalingarantie zu klettern. Aber eben, dieses Mal beschränken wir uns auf die Routen, welche möglichst flachen Zustieg und keine grossen Schneefelder am Ausstieg haben. Die Wahl fällt auf zwei bei uns eher unbekannte Routen, die "Pellissier" an den Pointes Lachenal, und die "Valéria" am Petit Capucin. Beide natürlich nicht die Längsten und Schwierigsten ihres Genres, aber beide ausserordentlich ästhetisch und abwechslungsreich.

Am Donnerstag fällt die erste Bahn zur Aiguille Midi aufgrund des starken Windes aus, wir sind schlussendlich erst so gegen 11 auf der Midi. Der Zustieg mit Skis ist allerdings superkurz, man braucht nicht mal anzufellen, sondern kann bequem bis an den Einstieg fahren. Ein kurzes, allerdings mit viel Triebschnee gefülltes Couli führt zum Einstieg.
Die erste Seillänge bietet schönes, weiches Eis, Absicherung vorwiegend an Schrauben. Bei der zweiten Länge gilt es den Abzweiger nicht zu verpassen: Auch wenn einem das Gelände in die rechte Rinne drängt, muss doch unbedingt die linke, nur etwa einen halben Meter breite Rinne gewählt werden. 
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Coole Kletterei, nicht wirklich schwierig, aber ästhetisch. Und es wird noch besser! Die dritte Länge führt in einen Felszirkus, unglaublich das es hier einen Ausweg geben kann. 
Nach einigen Metern Schnee und Mixed erreicht Thomas einen guten Stand links. Jetzt geht dann die Post ab! Es folgt die Crux der Route, eine lange respektive zwei kurze Seillängen, welche vorwiegend im Fels oder an ultradünn vereisten Rissen geklettert wird. Los geht es mit einem offensichtlichen, breiten, vereisten Riss. Zuerst noch leicht, wird das Eis gegen oben immer weniger. Zuletzt spreizt man im Fels, um einen Zwischenstand zu erreichen. Diesen zu nehmen lohnt sich nur schon aus Seilzuggründen.
Hier der Rückblick aus der vierten Seillänge, und unten einen Eindruck aus dem Mixed-Geschrubbe:
Für die fünfte und letzte Seillänge kann man die Schrauben endgültig am Gurt nach hinten verschieben. Eis hat es hier nämlich keines mehr! Man klettert zuerst eine kurze Verschneidung und kann die einzige fixe Zwischensicherung, einen Schlaghaken, klinken. Weiter geht es links um den kurzen Überhang. Zum Glück hat es einen zwar kleinen, aber sehr guten Hook, von dem aus es möglich ist, im Überhang einen Cam zu versenken. Auf wackligen Tritten, die Geräte teils im vereisten Riss verklemmend, erreicht man ein Schneefeld. 
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Hier ist das Gröbste vorbei, wobei noch ein paar Meter über kurze Steilstufen bewältigt werden müssen, wobei Schlingen und Cams gute Dienste leisten. Ein kurzes Schneefeld, dann erreichen wir den letzten Stand. 
Mittlerweile hat das Wetter wieder zugezogen, der Wind ist nach wie vor stark und kalt. Abseilen, in die kalten Skischuhe schlüpfen, und dann nix wie los! Der Gegenanstieg zur Punta Helbronner ist qualvoll, schwerer Rucksack und müde Beine. Erst gegen halb 7 erreichen wir die alte Torinohütte, wo wir uns im geheizten! Zweierzimmer erholen können.

Facts:
Pointes Lachenal, "Pellissier", SS-, Wi4, M5+ (5c im Fels), 5 SL. 

Kurzes, aber sehr schönes Gully mit einer saftigen Mixedlänge als Abschluss. Weitaus technischer als die schwieriger bewertete Modica-Noury!

Material: Neben ein paar kurzen Schrauben ein volles Felsrack mit Cams 0.25 - 2, und ein vollständiger Satz Klemmkeile. Zudem ein paar lange Schlingen.


Am Freitag steht die "Valéria" am Petit Capucin auf dem Programm. Die sehr schöne Linie war mir vor drei Wochen aufgefallen, als ich mit Sophie die Modica-Noury geklettert war. Die Route führt auf der Ostseite des Petit Capucin hoch und führt in das Pässchen zwischen Roi de Siam und Petit Capucin. Mit Wi4+ und M3+ etwas moderater als die Pellissier, dafür mit 7 SL ein Tick länger.
Der Zustieg führt in der Nähe eines riesigen Seracs vorbei, es lohnt sich hier die Augen offenzuhalten und nicht allzu weit rechts aufzusteigen.
Links oben sieht man übrigens das Pässchen, und die dünne weisse Linie darunter, die Ausstiegs-Länge der Valéria. Um 7:40 steigen wir ein, ein harmloser Bergschrund und ein kurzer Schneehang führt zum Eis. Eine erste Länge führt über 75° Eis hoch. Komischerweise finde ich keinen fixen Stand, aber es hat Felszacken für solide Stände. Eine zweite Länge, etwa ähnlich steil, führt in die eigentliche Route, nämlich die linke der beiden Eisschläuche, welche vom Petit Capucin herunterkommen. Thomas macht Stand an einem Schlaghaken und einer Eisschraube, und ich führe die dritte Länge, welche aus einer kurzen Steilstufe (etwa 75°) und einem Schneefeld besteht.
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Die vierte Länge besteht aus einem kurzen Gully, danach quert man über dick vereiste Felsplatten nach rechts, um einen weiteren guten Stand zu erreichen. Man könnte allerdings auch im Gully bleiben und findet dort einen Bohrhakenstand. Dieser hat aber den Nachteil, das man dem Eisschlag des Vorsteigers ausgesetzt ist, aber zum späteren Abseilen ist er tiptop.
Es folgt eine kurze Mixedstufe und ein Schneefeld, welches an den Beginn der superschmalen Ausstiegs-Eisrinne führt. Im Aufstieg übersehe ich den Bohrhakenstand links, und mache Stand an Schlingen.
Die folgenden zwei Seillängen gehören zum Besten, was ich je in Chamonix geklettert bin! Eine Eisrinne wie sie im Buche steht: Nur etwa einen Meter breit, genug Eis zum Hacken, ab und zu ein Riss zum Sichern, jeder Meter spannend, aber nie richtig schwer. 
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Die untere Länge ist etwas anhaltender und insgesamt schöner, die obere Länge hat eine recht schwierige Einzelstelle (etwa M4), welche aber mit Mikrocams und einer Zackenschlinge gut abgesichert werden kann. Über einen kurzen, steilen Schneehang erreichen wir das Pässchen und den letzten Stand.
Die Abseilerei ist etwas mühsamer als gedacht: Im oberen Teil hat es die guten Bohrhakenstände, allerdings finden wir im unteren Teil keine Stände mehr. Wahrscheinlich sind sie unter dem Neuschnee versteckt. So müssen wir uns an die alten, teilweise schlechten Schlaghakenstände halten. Aber so gegen 13 Uhr erreichen wir das Skidepot. 
Es folgt das Schäumchen auf dem Kaffee, die Vallée Blanche Abfahrt. Auch dieses Mal fast ideale Verhältnisse, wenig Buckel, weicher Schnee. Man kann immer noch bis Chamonix abfahren, wobei es zuunterst etwa fünf Minuten Portage hat. Und bald gondeln wir im Bus zurück nach Vallorcine und freuen uns schon auf das grosse Bier im Zug!

Facts:
Petit Capucin, "Valéria", SS-, Wi4+, M4, 7 SL

Tolles Gully, welches im unteren Teil reine Eiskletterei und im oberen Teil spannende, nicht allzu schwere Mixedkletterei bietet. Landschaftlich ausserordentlich schön, mit herrlichen Ausblicken auf die roten Granitzacken.

Material: Einige kurze Schrauben, ein reduziertes Set Cams, Klemmkeile und Zackenschlingen für den oberen Teil. 

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