Sonntag, 24. Februar 2013

Azzurro im Zanai

Nachdem endlich das Lawinenbulletin auf Stufe 'mässig' gerutscht war, ist die Zeit gekommen, wieder mal eines meiner Lieblingsgebiete aufzusuchen, nämlich das Zanai im St. Galler Oberland. Wiederum ist Thomas mit von der Partie - er als Sarganser mit Wurzeln in Valens gilt ja schon praktisch als 'local'. 
Das Zanai ist in praktisch allen Belangen so völlig anders als der Öschiwald in K'Steg! Während man an letzterem Ort in 10 Minuten vom Einstieg zur Beiz gelangt, und sich gegenseitig mit Eisschollen bewirft, ist ein Ausflug ins Zanai eine richtige Mini-Expedition mit Einsamkeitsgarantie. 
Wie schon das letzte Mal zusammen mit Marcel (s. Blog hier) laufen wir nicht von Valens her hoch, sondern fahren mit den Bahnen zur Pizolhütte. Dort beginnt die wunderbar wilde Abfahrt über unverfahrene Hänge. In diesem Powpow macht das Skifahren sogar mit der 'Gefechtspackung' noch Freude!
Bald öffnet sich der Blick auf eines der Tagesziele von heute: Der 'Fall für zwei'. Rechts davon die irre Zapfenlinie des 'Tatorts', leider für uns ein Tick zu verwegen.
Beim Anblick des ziemlich mühsam aussehenden Zustieges zu diesen Fällen überredet mich Thomas dazu, in den Azzurro einzusteigen, obwohl ich den Fall ja schon kenne. Andererseits hatte ich die Tour in sehr guter Erinnerung, also nix wie los. 
Im Talgrund angekommen, fellen wir an und laufen etwa eine halbe Stunde hoch an den Einstieg, den wir etwa um 11 Uhr erreichen. Hier wähnt man sich am Ende der Welt: Hinter uns eine lange Abfahrt, unter uns ein wildes, einsames Tal. Eben - das pure Gegenteil vom Öschiwald!
Im Bild das Tagesziel, der 'Azzurro'. Zuerst zwei leichtere Längen, dann zwei kompromisslos steile Abschnitte. Die erste Länge checkt etwa bei Wi2 ein, wir klettern teilweise parallel und erreichen bald das Schneefeld. Die zweite Seillänge (Wi4) war damals mit Marcel eine total ätzende Kletterei in mürbem Eis, heute jedoch ist sie prächtig gewachsen. 
Wir erreichen jetzt die riesige Kerze, die den ersten steilen Abschnitt formt. Am linken Rand bietet sich eine seichte Verschneidung an. Tolle, eindrückliche Kletterei - und hier hat es natürlich keine geschlagenen Tritte und alte Schraubenlöcher!
Wie so oft im Eis schaut es von unten kürzer aus als es ist, schliesslich sind es dann doch über 40 Meter anhaltend 80°-90°. Schon ordentlich augepowert erreiche ich das obere Schneefeld und nehme Thomas nach.
Die vierte Seillänge führt über den Vorbau und ein heikel übereistes Schneefeld an den Fuss des letzten Steilaufschwunges. 
Während ich vor einem Jahr eine Linie links gewählt habe, so greifen wir jetzt direkt über den rechten Pfeiler an, dort wo die Stufe am höchsten ist. Und auch im Bild oben täuscht natürlich die Perspektive, so ist dieser Pfeiler gut und gerne über 15 Meter hoch - senkrecht, aufgrund der Eisstruktur sogar teilweise leicht überhängend! Hier der Autor im Nachstieg in der vierten Länge:
Vom Stand quere ich einige Meter nach rechts, um dann den Pfeiler anzugreifen. Der Pfeiler ist wirklich enorm steil, aber immerhin hat es gelegentlich mal einen natürlichen Tritt und Hook. Trotzdem verlangt dieser Vorstieg von mir einiges ab (muss dazu aber sagen, dass ich noch mit einer leichten Erkältung zu kämpfen habe - ideal zum Eisklettern). Jedenfalls dünkte mich diese Länge deutlich schwerer als die schwersten Stellen von Pingu oder Blue Magic. 
Vom Ausstiegsstand (rote Reepschnur um Baumstrunk) erreicht man in 2 x 50m das Band unterhalb der Kerze, wobei man einmal einen Abalakov fädeln muss. Vom Band kann man orographisch links ein Baum erreichen, von dem man nochmals 20 Meter auf das Schneefeld abseilt. Über die letzte Länge kann man wiederum an einem Bäumchen abseilen. 
Vom Einstieg ist es dann natürlich immer noch ein gutes Stück bis nach Valens. Aber Commitment gehört halt zu Touren dieser Art. 

Facts:
Zanai, 'Azzurro', 5 SL, Wi5 (Wi5+ wenn oben rechts gegangen wird).

Wirklich eine super Tour, die es absolut verdient hätte, unter die Top 50 im Hot Ice zu kommen. Steht für mich sowohl was Charakter als auch was Schwierigkeit und Kletterei angeht überhaupt nicht hinter Klassikern wie 'Blue Magic' an. 

Schwierigkeiten aktuell: Wi2 (40m 65°), Wi4 (30m bis 80°), Wi5 (40m 85°), Wi4 (30m 80°), Wi5+ (50m, davon fast 20m 90°).

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen