Montag, 11. Mai 2015

Baxter-Jones am Maudit

Wenn die Frage lautet, wo man Mitte Mai noch steiles Eis findet, dann lautet die Antwort wie so oft: Chamonix! Da allerdings Ende Saison bereits viele Bahnen ihren Betrieb eingestellt haben, die Schneegrenze sich über die Baumgrenze hochgezogen hat und zudem die sehr intensiven Niederschläge vor einer knappen Woche zu einer unklaren Lawinensituation geführt haben, ist die Auswahl etwas eingeschränkt. Schlussendlich glauben Thomas und ich allerdings in der Roger-Baxter-Jones am Mont Maudit das ideale Projekt gefunden zu haben. Diese Eistour ist ausserordentlich hoch gelegen, der Einstieg etwa auf 3600m, der Ausstieg auf etwa 4100m - eine ideale Tour für warme Tage! 
Da allerdings das Gully-Suchtpotential derart gross ist, können wir der Versuchung natürlich nicht widerstehen und greifen bereits am Samstagmittag an. Mit dem ersten Zug nach Cham, hoch zur Midi und dann mit Skis an den Fuss der Pointes Lachenal. Hier habe ich noch eine Rechnung offen, und zwar mit der "M6 Solar" - einer modernen Mixed-Route in der felsigen Südostwand der Pointes Lachenal. Südostwand? Mitte Mai? Ist da nicht eher Felsklettern angesagt? 
Weit gefehlt! Die starken und sehr warmen Niederschläge vom ersten Mai haben dazu geführt, dass die Wände in dieser Höhe von einem für mich noch nie gesehenen Eispanzer überzogen sind! Die M6 Solar, normalerweise eine Felsverschneidung mit dünnen Eisspuren, ist nicht wiederzuerkennen: Ein dicker Schnee-Eispanzer überzieht die felsigen Verschneidungen! Hier Thomas vor der ersten Seillänge.
Die Kehrseite allerdings ist, dass der Klebschnee zumindest an den sonnenexponierten Stellen schon ziemlich aufgeweicht ist und die Pickel nicht mehr wirklich greifen. Zudem rinnt pausenlos eine Wasser-Schnee-Mischung von oben runter. So ist die erste Seillänge, etwa M5-, ein ziemlicher Krampf. Auch die zweite Länge ist von den Verhältnissen her nicht viel besser, aber immerhin mit etwa M3+ etwas leichter. 
Völlig neu werden die Karten in der dritten Länge, der Crux der Tour, gemischt. Hier war ich vor drei Jahren mit Sophie umgekehrt, weil mir die glatte Felsverschneidung ohne Sicherungsmöglichkeiten zu psycho war (siehe hier). Diese Verschneidung ist heute nicht wiederzuerkennen: Ein etwa 15cm dicker Eispanzer überzieht den Fels vollständig, was normalerweise ein knackiger M5+ ist, lässt sich in einer coolen Wi4-Seillänge klettern. Hier erreicht die Sonne das Eis nicht, deshalb ist es auch noch nicht aufgeweicht, sondern lässt sich mit 13er Schrauben perfekt sichern.

Schlüsselstelle heute
Dieselbe Stelle vor drei Jahren - hier sind wir damals umgekehrt
Einen Stand finde ich nicht, ich behelfe mir mit einem 2er und einem 1er-Cam hinter einer grossen Schuppe. Auch die nächste Seillänge ist genial: Unten nochmals dicke 'Placages', oben dann etwas delikatere Mixed-Kratzerei, nochmals etwa M5-. 
Die letzte Länge führt über einen steilen Schneehang auf den Grat der Pointes Lachenal. Da es aber oben keine Abseilmöglichkeiten mehr gibt, lassen wir die aus, und erreichen in zweimaligem Abseilen (60m und 45m) problemlos den Einstieg und die Skis. Und eine knappe Stunde später geniessen wir bereits das Bier auf der Cosmiques-Hütte. 

Facts:
Pointes Lachenal, "M6 Solar", II, M5+ (5 SL)
L1: 25m M5-, L2: 30m M3+, L3: 25m Wi4 (normalerweise M5+), L4: 35m M5-

Kurze, aber interessante Mixed-Route, wobei die Schwierigkeiten hier extrem von den Verhältnissen abhängen. Von heiklen, schwer abzusichernden Dry-Moves bis zu genüsslichem Softeis-Gehacke ist alles möglich - einfach eine Frage des Timings!

Material: Vollständige Fels-Ausrüstung mit BD Cams 0.2-2, dazu Keile und (bei schlechten Verhältnissen) ein paar Felshaken.


Etwas erschreckt waren wir natürlich schon von den etwas durchzogenen Verhältnissen. Was, wenn es morgen ebenfalls dieses aufgeweichte, inkonsistente Schnee-Eis-Gemisch hat? Gut, mal schauen gehen kostet ja nichts. Um drei Uhr Frühstück (keine Stirnlampen in der Tacul-Flanke gesichtet), kurz vor vier gehen wir los, und um halb sechs sind wir bereits am Bergschrund in der hintersten Combe Maudit. Kurz vor sechs Uhr gehts los:
Anhand des obigen Bildes wird übrigens bereits die Problematik dieser komplexen Wandflucht sichtbar: Es ist nicht so einfach herauszufinden, wo genau die Route durchgeht. In der Annahme, wir seien auf der Baxter-Jones, queren wir nämlich in den schmalen Gully, der von Thomas rechts oben wegzieht (der korrekte Weg wäre, links im Schnee-Couloir zu bleiben). Spielt allerdings keine Rolle, das Gelände ist nicht allzu schwer, die Kletterei interessant und abwechslungsreich, mit einer coolen M3+-Länge:
Nach etwa 100 Meter erreichen wir wieder die Baxter-Jones. Als nächstes folgt eine kurze, steilere Stufe (Wi3+), gefolgt von einem Schneefeld. Wir befinden und jetzt in einem eindrücklichen Kessel, wo sich die Route verzweigt: Links hoch führt die "A l'est, rien de nouveaux", der breite Eisfall rechts ist die Baxter-Jones. 
In einer langen Seillänge (80m, parallel gehen) erreicht Thomas das untere Ende des Eisfalles. Tja, und dieses Teil selber sieht wirklich verschärft aus: Etwa 15 Meter hoch und auf mehrere Meter senkrecht. Es ist schon ein Witz mit diesen Bewertungen in Chamonix: Eine Colton-Brooks an den Droites ist mit Wi5 bewertet, obwohl es kaum einen senkrechten Meter gibt, und hier klettert man über 10 Meter im senkrechten Eis, und die Bewertung ist mit Wi4 angegeben. Nun ja, das Eis ist weich, lässt sich gut pickeln und absichern. Einzig die dünne Luft, hier auf 4000m...
Ich mache gleich oberhalb des Eisfalles Stand, um ein paar coole Fotos von Thomas machen zu können. Grosses Panorama mit Tacul und Grandes Jorasses im Hintergrund!
Das Gully legt sich jetzt wieder zurück, es folgt eine schöne Seillänge so im Bereich Wi2, das Ambiente bleibt aber grossartig. Etwas lästig sind einzig die Eisstücke, die - von der Sonne aufgetaut - fast pausenlos von den Wänden runterbröckeln. 
Hier teilt sich nun die Route: Geradeaus weiter würde die "Blaireaux"-Variante kommen, mit Wi4+ etwas verschärft. Allerdings ist die Fels-Verschneidung von der Sonne schon aufgeweicht und wohl nicht vernünftig kletterbar. 
Wir halten uns an den linken Gully, der mit bestem, etwa 75° steilem Eis aufwartet. Ein weiteres Highlight!
Hier legt sich das Gelände zurück, es folgen aber noch weitere zweieinhalb Seillängen im Bereich Wi3 / M3, die wir teilweise parallel klettern. Interessant übrigens, dass es hier sogar fest installierte Stände hat, im Gegensatz zum Rest der Route. Schlussendlich erreichen wir den Ausstieg, etwas unspektakulär in einer Schneemulde, die erlaubt, nach rechts in die NW-Flanke vom Maudit auszusteigen. 
Nun folgt die 'moralische Schlüsselstelle' der Tour: Wir müssen die Abseilpiste über die Route "Fil d'Ariane" suchen. Finden wir sie nicht, haben wir ein grösseres Problem, weil der Abstieg über die Tacul N-Flanke respektive das Chèré-Couloir aus logistischen Gründen kaum möglich wäre. 
Zuerst seilen wir 1x60m über die NW-Flanke an einem fest installierten Stand ab, steigen die letzten paar Meter noch seilfrei ab. Die Abseilpiste zu finden ist dann zu unserer grossen Erleichterung überhaupt kein Problem: Sie befindet sich in der grossen (etwa 30m breiten) Schneemulde, welche man, vom Maudit absteigend, als erste erreicht (es ist NICHT der kleine Schneesattel etwa 50m höher, wo es auch eine Art Pseudo-Abseilstelle hat). Das heisst, wir steigen in der Mulde etwa 20hm ab bis zur Abbruchkante, und hier befindet sich - gut sichtbar auf der linken Seite am Fels - der erste Abseilstand. Chamonix-untypisch übrigens keine rostigen Normalhaken, sondern nagelneue Bolts!
Die Abseilerei gestaltet sich fast aussergewöhnlich problemlos: Es hat wirklich etwa alle 35-40m (nicht 60m!) einen neuen Bh-Stand. Während dem Abseilen nehme ich noch einen Augenschein in der "Fil d'Ariane", sieht schon noch verschärft aus, ist aber definitiv ein Projekt für kältere Tage - der Schnee und das Eis sind in der sonnigen Verschneidung schon völlig aufgeweicht. Nach acht-maligem Abseilen stehen wir bereits wieder am Wandfuss und ein paar Minuten später bei den Skis.
Als Schlussbouquet folgt die Vallée Blanche Skiabfahrt, im oberen Teil ok, im mittleren Teil (zwischen der Pt. Adolphe Rey und der Réquin-Hütte) sogar richtig gut. Weiter unten dann ein Krampf im mühsamen Klebschnee. Auf den letzten etwa zwei Kilometer hats dann kein Schnee mehr, aber der blanke, geröllfreie Gletscher erlaubt ein vorsichtiges Abfahren mit den Skis. Zuletzt 30 Minuten Portage, und schon sind wir auf der Gondelbahn hoch nach Montenvers. Der Burger mit Salat und viel Bier im Elevation 1905 ist nach so einer Tour natürlich Pflichtprogramm!

Facts:
Mont Maudit, "Roger-Baxter-Jones Directissime", III, Wi4 (500m)

Sehr schöne Eistour mit einer für den Grad sehr steilen, anhaltenden Schlüssel-Länge. Landschaftlich wunderschön, mit viel Sonne. Bei zu warmem Wetter besteht wohl moderate Eisschlag-Gefahr. Der Abstieg über die Fil d'Ariane geht problemlos, ist man zu Fuss unterwegs, steigt man aber besser über den Tacul ab. Achtung: Es lohnt sich, das Topo der Tour (im neige, glace & mixte leider etwas unübersichtlich) genau zu studieren, die Orientierung in der Wand ist nicht so einfach und es gibt recht viele verschiedene Varianten.

Material: Normale Eisausrüstung, inklusive kleinem Set Friends und Klemmkeile.

Mittwoch, 6. Mai 2015

Das Ende von Langtang

Mit grosser Betroffenheit habe ich dieser Tage erfahren, dass beim grossen Erdbeben in Nepal nicht nur ganze Städte in sich zusammengefallen sind, sondern eine gigantische Eis-Geröll-Lawine das Dorf Langtang und auch praktisch sämtliche der etwa 450 Einwohner unter sich begraben hat. 
Wir haben vor fünf Jahren einen Treck in der Langtang-Region gemacht und in Langtang selber bei einer Familie privat übernachtet. Wahrscheinlich wurden auch die anderen Ortschaften im Langtang-Tal vom Erdbeben stark betroffen, das Epizentrum des Bebens lag übrigens nur wenige Kilometer weiter hinten im Langtang-Tal.

Nachfolgend einige Bilder von damals und von heute.



Heute:
After: Nepal's Langtang Valley
Photo: Facebook: Mal Haskins

Montag, 13. April 2015

Ein Traum geht in Erfüllung

"The richness of its gullys, slopes and pillars, together with its unequalled place in the annals of alpine climbing, have made the N Face of the Droites the most famous wall in the Argentière basin. An ascent of any of the routes on this face is a milestone in any mountaineer's career." [Damilano, snow ice & mixed I]

Seit ich den Argentière-Kessel das erste Mal vor sieben Jahren besucht habe, war die Droites Nordwand ein grosser Traum für mich. Zuerst ein ferner Wunschtraum, mit den Jahren und den gemachten Gullies aber immer mehr zu einem konkreten Eintrag auf der alpinen 'Ticklist'. Ich hab mir auch immer gesagt, dass, wenn ich diese Wand einmal geklettert bin, eigentlich mit Bergsteigen aufhören könnte. 

Das sich ein Lebenstraum aber nicht ohne etwas Commitment erfüllen lässt, erfahren Peter und ich bereits beim 'Beziehen' der Unterkunft: Die Hütte ist natürlich schon ausgebucht (und der Hüttenwart hat jetzt auch nicht den Anschein gemacht, als ob er unangemeldete Bergsteiger in der Hütte dulden würde). Bleibt als Alternative die Grands-Montets Bergstation. Die harten Kerle des Alpinismus schwören ja auf den spartanischen Charme des Betongebäudes. Ich hatte mich fälschlicherweise auf einen beheizten Raum eingestellt, dem ist allerdings überhaupt nicht so, man nächtigt in den zugigen und auf einer Seite offenen Betongängen, direkt neben der Seilbahn. Bei etwa -5° mag keine richtige Hüttengemütlichkeit aufkommen. Der Rettungsschlitten im Bild gibt übrigens ein recht komfortables Bett ab.
Zu erwähnen ist übrigens noch, dass es mit Beziehungen oder wenn es nur wenige Leute hat, man durchaus Chancen auf den beheizten Raum der Rettungssanität hat. Nur eben, heute abend sind es gute 20 BergsteigerInnen, da hat man keine Chancen. Am ätzendsten war dabei die Warterei in der Kälte, bis es endlich Zeit für den Schlafsack war. Die (kurze) Nacht selber war dann dank des guten Schlafsacks eigentlich kein Thema mehr.

Um viertel vor zwei frühe Tagwacht, eine halbe Stunde später bereits auf den Skis - die Schlaftrunkenheit vom Adrenalin weggeblasen. Die Abfahrt auf den Gletscher macht mit den ultraleichten Rennskis nicht wirklich Spass, ist dafür effizient. Um vier Uhr stehen wir am Einstieg. Vor uns sind bereits drei Seilschaften an der Arbeit, hinter uns scheinen noch mindestens zwei Seilschaften zu folgen. Skis aufgebunden, und auf gehts ins Abenteuer! Im Licht der Taschenlampe wirkt der Bergschrund riesig und komplex, eine Abfolge von Eiswülsten. Schlussendlich ist er aber auf einer guten Spur problemlos zu überwinden. Es folgt die berühmte 'Messner-Rinne', quasi das Eintritts-Billet in die Nordwand der Droites. Ich bin noch nie zuvor im Taschenlampenlicht eisgeklettert, muss sagen geht eigentlich recht gut - irgendwie so wie in Trance. Die Rinne ist dazu auch perfekt ausgehackt und wirklich problemlos, wie Treppensteigen. Nach etwa anderthalb Stunden erreichen wir das grosse Eisfeld. Langsam bricht der Tag an. Links erkennt man die Eislinien des Überklassikers 'Ginat', dem Ziel der anderen Seilschaften. Die Colton-Brooks ist das Gully-System rechts der Mitte durch die kompakte Felszone.
Das Eisfeld selber ist auch problemlos zu Gehen. Etwas weniger steil als die Firnwände bei uns (Obergabelhorn etc.), dazu meistens perfekter Trittfirn, stellenweise auch harter Styroporschnee. Wir gehen parallel am langen Seil, wobei wir immer mindestens einen T-bloc zwischen uns haben. Eine halbe Stunde später geht die Sonne auf und beleuchtet unsere Wand in genialem Licht - gigantisch!
So nähern wir uns der Crux der Tour, die steile Mixed-Stelle, welche den Weg in die Gullies der Colton-Brooks versperrt. Schon die Meter vor der Mixed-Stelle sind engagiert: Das weiche Eis ist zwar nach wie vor perfekt zu pickeln, aber mit knappen 10cm zu dünn für gute Sicherungen. Allerdings kommt hie und da der Fels zum Vorschein, wo sich immer mal wieder ein Risschen für einen Friend oder Keil finden lässt.
Ich beziehe Stand an einem guten Felszacken. Das Topo im Damilano schlägt hier vor, einen grossen Bogen rechts herum um die Felszone zu machen. Das scheint uns bei den aktuellen Verhältnissen aber nicht nötig, denn auch auf der linken Seite ziehen sich mehrere dünne Eisschläuche durch die Felszone. So können wir uns auch die laut Führer 'delikate' Traverse sparen. Vorsichtig startet Peter in diese Seillänge. Am schwierigsten scheint hier der Start zu sein, weil es nach wie vor zuwenig respektive zu schlechtes Eis für Sicherungen hat. Es gelingt ihm allerdings, im Fels ein paar gute Cams unterzubringen. Wenig später befindet er sich bereits an einem guten Stand im dickeren Eis oberhalb der Felsen. 
Von der Schwierigkeit her ist diese Stelle überschaubar, im Eis maximal 80°, Felskontakt mit den Geräten hat man keinen (ausser das man das Gerät teilweise unbeabsichtigt auf den Fels setzt). 
Jetzt befinden wir uns im grossen Gully am linken Rand der Felsbastion. Im zwei Seillängen (70° und 75°) erreichen wir den oberen Rand. Es folgt ein kurzer, steiler Eisschlauch (75°), der den Zugang auf das sich nach rechts ziehende Band erlaubt.
Das Band selber ist ebenfalls eine Eis- respektive Styroporschneerinne, mit 50° moderat steil. 
Am oberen Ende folgt eine kurze Traverse, die Ausgesetztheit ist atemberaubend.
Es folgt nochmals ein cooler, steiler Gully (80°), bevor sich das Gelände zurücklegt. Wir erreichen den steilen, stumpfen Firngrat, der sich bis unter die Gipfelgratfelsen hochzieht. 
Laut Führer wartet hier die letzte Schlüsselstelle der Tour. Vom Stand an einem Felszacken klettert man zuerst leicht nach rechts, dann in einer langen Traverse nach links hoch in die Felsen (s. Foto unten).
Die Kletterei ist wunderschön, und sehr abwechslungsreich, dünne Glasuren wechseln ab mit kurzen Felsaufschwüngen. Die Schwierigkeiten sind sicher nicht M5+ wie im Führer angegeben, sondern eher so in der Region M4. Beim mittleren Stand finden wir übrigens das einzige fixe Material der Route, einen alten, verklemmten Friend. Leider machen sich bei mir die kurze Nacht, die 1000hm, und die schmerzenden Füsse bemerkbar, und ich kann die Kletterei nicht wirklich geniessen. Um 14:30, also knappe zehneinhalb Stunden nachdem wir eingestiegen sind, erreichen wir den luftigen Gipfelgrat. Die Emotionen sind gross, die Anspannung fällt weg, die warmen Sonnenstrahlen auf dem Gesicht, was gibt es Schöneres? Irgendwie ist es absurd, aber eigentlich klettert man eine Nordwand vor allem wegen diesem Gefühl, wenn man endlich oben ist. 
Nun ja, wir sind ja noch nicht unten. Zuerst war die Idee, wir könnten über den Grat in die Breche am Ausstieg der Ginat gelangen. Nun, dies ist angesichts der irren Felsspitzen keine Option mehr - die Kletterei mit Skischuhen würde wohl Stunden dauern. Hingegen ist die naheliegendste Option, direkt nach Süden ins Couloir, welches sich von der Breche runterzieht, abzuseilen. Es hat zwar keine eingerichtete Abseilstelle, aber genügend solide Felszacken. Und so erreichen wir mit dreimaligem Abseilen problemlos das Couloir, und nach weiteren etwa 10 Abseilern können wir das Seil gegen die Skis tauschen. 
Jetzt wissen wir auch, wofür wir die Skis einen Tag lang auf dem Rucksack runtergetragen haben. Die Abfahrt über den Gletscher ist nicht nur weitaus effizienter und weniger mühselig als das Runterstapfen zu Fuss, sondern macht dank des guten Schnees sogar richtig Spass! Und so kommt es, dass wir, dreieinhalb Stunden nachdem wir das Seil eingepackt haben, bereits beim wohlverdienten Bier in Chamonix sitzen. 
Ach ja, es ist übrigens nicht ganz einfach, um diese Zeit noch ein offenes Hotel zu finden, und die Übernachtung vor Ort ist natürlich zwingend notwendig, weil wir ja noch unser Material an der Talstation der Grands-Montets Bahn auflesen müssen. Und dies geht nicht ganz reibungslos, denn aufgrund eines Missverständnisses war es auf der Bergstation geblieben. Deshalb gab's dann noch einen Kaffee vor Ort...

Facts:
Les Droites, "Colton-Brooks", SS+, IV, Wi5, M4, 1000hm. 

Material: Vollständige Eisausrüstung mit etwa 12 Schrauben, davon möglichst viele kurze (10er) Schrauben. Vollständiges Set Friends bis etwa C1, dazu kleine Keile oder Microfriends, Zackenschlingen. Wir haben ein 50m Einfachseil und ein 50m Zwillingsseil dabeigehabt, was das gleichzeitige Gehen mit T-bloc Sicherung erlaubt. Abseilen geht problemlos mit 2x50m. Skis für den Abstieg empfehlenswert.

Ganz grosses Kino in der vielleicht schönsten Eiswand von Chamonix. Obwohl die Kletterei schlussendlich nicht wirklich schwer ist, erfordert doch die Länge der Tour und die vielfältige Kletterei ein solides Können und grosse Erfahrung. 
Foto von gestern, aufgenommen von Marcel Dettling.
Von der Strategie her hat es sich für uns absolut ausgezahlt, leichtes Skimaterial (in meinem Fall der Rennski Elan Triglav, mit Rennbindung um die 900g, und einen Dynafit TLT5 carbon Schuh) mitzutragen. Sowohl Zu- als auch Abstieg sind einfach unendlich viel bequemer. Als Übernachtung ist sicher die Argentiere-Hütte die erste Wahl, ist diese voll bietet sich die Grands-Montets-Bergstation an. Der Gepäcktransport nach unten geschieht auf Good-will Basis der Bahn, muss nicht unbedingt klappen und sollte zumindest verbal verdankt werden :)

Montag, 9. März 2015

Einsamer Spiggengrund

"Die Fälle im Spiggengrund sind das Non-Plus-Ultras des alpinen Eiskletterns. Wer sie durchstiegen hat ist ein Erzbergsteiger [...]". Urs Odermatt wirft mit Superlativen um sich, wenn es um die Beschreibung der Eisfälle im Spiggengrund geht. (Spiggen-)grund genug, das wir uns diese Sache mal genauer unter die Lupe respektive unter die Geräte nehmen. Der Spiggengrund zeichnet sich neben der Länge der Fälle vor allem auch wegen der Länge des Zustiegs aus. Darum kam mir auch die Idee, dieses Projekt mal auf die 'harte Tour' anzugehen, das heisst, mit einem Biwak zuhinterst im Spiggengrund. Dies hat zwar den Vorteil, dass der Zustieg am Tag selber minimiert wird, dafür schleppt man auch mehr Gepäck. Wenn man zudem wie wir auch am ersten Tag bereits einen Fall klettert, dann steigt man potentiell durchfroren und durchnässt in seinen Schlafsack. Deshalb braucht es natürlich einen Partner mit entsprechender Motivation, der mit Thomas auch gleich gefunden war. 
Am Samstag gemütliche Anfahrt mit dem Posti ins Kiental. Hier buckeln wir unsere grossen Säcke und die Ultraleichtgewichts-Skis, und laufen in den Spiggengrund. Es zieht sich tatsächlich, wobei immerhin die Fälle schon bald auftauchen und so die Vorfreude verstärken. 
Wir erreichen nach etwa zweieinhalb Stunden die Alp zuhinterst im Spiggengrund, ideal im Kessel unter den Fällen gelegen. Obschon wir das Zelt dabeihaben, haben wir schon im Voraus spekuliert dass einer der Ställe offen sein könnte. Dem ist auch tatsächlich so, und so können wir unser Gepäck im ausserordentlich sauberen Stall gut deponieren. 
Um den Aufwand dieses Unternehmens zu rechtfertigen, drängt es sich natürlich auf, bereits heute einen ersten Fall zu klettern. Die Wahl fällt auf den "Spiggeni Tal", ein imposanter Fall mit einer markanten, riesigen und dicken Säule im mittleren Teil. Der Zustieg von der Hütte aus ist in guten 20 Minuten bewerkstelligt. 
Eine erste SL (Wi4-) führt über kompaktes, stellenweise leicht mürbes Eis auf das erste Band. Hier cruist Thomas in der zweiten Länge (Wi3-) der Riesensäule entgegen:
Die Säule selber besteht aus zwei Teilen: Zuerst über einen leichten, blumenkohligen Vorbau von rechts her an die eigentliche Säule, dann in steiler Kletterei direkt hoch. Von der Schwierigkeit her würde ich etwa Wi5 veranschlagen, Wi5+ wäre sicher zu hoch gegriffen angesichts der Tatsache, dass das Teil ultra-dick und gut strukturiert ist. Aber klar, es sind doch etwa 15 Meter 90°.
Nach dieser Hammerlänge legt sich der Fall wieder zurück. Es folgt eine hübsche Genusskletterei in leider ziemlich mürbem Eis (Wi3) auf das zweite Schneeband. Fast ungetrübten Genuss bietet die nächste Länge, die mittlerweile in der warmen Abendsonne steht und angenehm weich geworden ist: So um die 80° und etwa 60 Meter lang (etwa Wi4), ein schöner Tagesabschluss. Es würde jetzt zwar noch eine kurze Länge folgen, da aber die Sonne gerade hinter den Bergen verschwindet, entschliessen wir abzuseilen.

Facts: Spiggengrund, "Spiggeni Tal", Wi5, 6 SL

Sehr schöne Eistour, die zu Unrecht im Schatten seines grossen Nachbarn steht. Ende Winter ist die Säule wohl oft so fett gewachsen dass die Schwierigkeiten (und die objektiven Risiken) stark reduziert sind. Anfangs März bekommt der obere Teil des Falles schon recht viel Sonne, die Säule selber hingegen ist noch ganztags im Schatten.

Im letzten Tageslicht erreichen wir den Stall, und installieren unser Biwak. Bald brummt der Kocher und nach einer warmen Suppe vermisst man die Sauna schon fast nicht mehr. 
Auch die Nacht wird gar nicht so kalt wie befürchtet, im Stall drin sinkt die Temperatur kaum unter -2°. Jedenfalls erwachen wir am nächsten Morgen gut erholt um halb sechs. Ziel ist, bereits um die 7 Uhr am Einstieg des Grossen Spiggenfalls zu stehen. Schliesslich ist die Paradetour im Gebiet mit 12 SL schon ein respekteinflössendes Unternehmen. 
Schlussendlich ist es allerdings schon fast halb acht als wir am Einstieg stehen. Der Zustieg ist nämlich deutlich länger als er ausschaut, man muss doch inklusive Spurarbeit gegen 40 Minuten rechnen. Immerhin, der berüchtigte Kandersteg-Stress, wieviele Seilschaften schon Schlange stehen, fällt heute weg. Wunderbar!
Thomas steigt in die erste Länge ein, die bei etwa Wi3 eincheckt und mit grundsätzlich gutmütiger, aber wegen dem schlechten, mürben und überschneiten Eis doch nicht ganz ohne ist. Deutlich besser zur Hand geht die zweite Länge, ein wahres Kompakteis-Fest, auf rund 15 Meter um die 80° steil. Die dritte Länge beginnt zuerst moderat, steilt sich dann aber auf zu einer etwa 10 Meter hohen, breiten Kerze. Ich gehe sie von rechts her an, was dann eine luftige Traverse im senkrechten Gelände nach links, gefolgt von fünf senkrechten Metern erfordert. Im Normalfall nichts das mich gross aus der Ruhe bringt, aber irgendwie tue ich mich etwas schwer - vielleicht liegts am Seilzug, oder am ebenfalls etwas mürben Eis. Schon hier saugt die Tiefe - cool!
Weiter geht es über einige leichte Stufen (50°) und ein Schneefeld an den Fuss der nächsten Prüfung in Form einer etwa 15 Meter hohen, durchgehend senkrechten Eiswand. 

Diese Seillänge ist dann purer Genuss, selten habe ich besseres Eis geklettert, mit vielen natürlichen Hooks und perfektem, weichem Eis. Schlussendlich wird es etwa Wi5- sein, aber wirklich, wirklich schön! 
Eine weitere, mit etwa Wi2 deutlich einfachere Länge führt an den Fuss des 'Kernstücks' des Falls, der eindrücklichen Abfolge von riesigen Säulen und Eisbalkonen. Thomas klettert eine interessante Länge (Wi4) aus Blumenkohlen bis an den linken Fuss der Kaskade, überschneiter Schnee gibt die nötige Würze. Jetzt beginnt das grosse Kino: Hinter der linken Giga-Säule durch gelangt man ins riesige Eis-Fenster zwischen den beiden Säulen.
Hier könnte man weiter hinter der zweiten Säule hindurchkriechen, um so auf ein schmales Band zu gelangen. Allerdings war ich a) nicht sicher ob der Durchschlupf wirklich genug gross wäre und b) diese Variante wirklich einfacher ist als der direkte Aufstieg durch das Eisfenster. So entscheide ich mich für die zweitgenannte Variante: Am linken Rand des Eisfensters in genialer, steiler Kletterei direkt hoch! Die Ausgesetztheit ist atemberaubend, die Schwierigkeiten dank extrem gut gewachsenem Eis überschaubar: Zuerst etwa 5 Meter 90°, danach nochmals 15 Meter um die 85°, summa summarum etwa Wi5. 
Nach dieser Aufregung ist die Tour eigentlich schon fast gegessen. Allerdings wäre es natürlich sehr schade an dieser Stelle bereits umzudrehen. Es folgt eine moderat steile Stufe, die sich in zwei genussreichen SL (Wi2, Wi3) klettert. Etwas wehmütig schaue ich hoch zum wilden Direktausstieg. Die untere der beiden Säulen würde ich mir noch zutrauen, die sieht sogar richtig geil aus. Die obere hingegen ist definitiv nur für Lebensmüde. Zu beachten ist übrigens noch, dass die obere Säule während etwa zwei Stunden am Nachmittag Sonne abkriegt. Deshalb ist es wohl nur eine Frage von Tagen, bis dieses unendlich fragile Teil kollabiert - dies gilt zu beachten, wenn man im späteren März hier klettert!
Rechts wartet eine natürlich viel einfachere, aber noch einmal richtig interessante Abschlusslänge auf uns: Eine kurze, senkrechte Stufe, etwa 6 Meter 90° (Wi4+), bläst die Arme nochmals auf, bevor wir uns in der warmen Nachmittagssonne die Hände schütteln. Eine hammer Tour liegt hinter uns! Für die 12 Seillängen haben wir doch gute sechseinhalb Stunden gebraucht. Das Abseilen gestaltet sich dank vorhandenen Eissanduhren effizient, um vier Uhr Nachmittags stehen wir zurück am Einstieg, und pünktlich aufs letzte Postauto sind wir um sechs Uhr zurück im Kiental. 

Facts:
Spiggengrund, "Grosser Spiggengrundfall", Wi5, 12 SL

Eine der längsten Eisfälle der Schweiz! Schöne, abwechslungsreiche Kletterei, allerdings nicht sehr homogen. Natürlich nicht zu vergleichem mit Toptouren wie dem Crack Baby, aber dennoch eine uneingeschränkt empfehlenswerte Tour, insbesondere wenn man Einsamkeit und alpines Ambiente schätzt. Hier nochmals ein Bild der Touren, rechts der Grosse Spiggengrundfall, links der "Spiggeni Tal" mit der dicken Säule. Die mittige "Spigg mi furt vo hie" steht leider nicht.
Übrigens, in diesem Kessel gäbe es wohl genug Fälle für eine ganze Woche zu klettern, die meisten sind nicht dokumentiert und vielleicht auch noch gar nie begangen worden. Allerdings stehen einige davon ziemlich in der Sonne, und wer im Januar hier klettern will braucht definitiv ein warmes Winterfell!

Sonntag, 25. Januar 2015

Eiswoche in Cogne

Mitte Januar steht traditionell die Eiskletterwoche mit den Freunden vom SAC Albis an. Nachdem die Woche letztes Jahr im Gasteinertal komplett ins Wasser fiel, setzen wir dieses Jahr wieder auf einen sicheren Wert, nämlich das kalte Hochtal von Cogne. Hier braucht es schon mehr als so ein paar Grädchen Klimaerwärmung, für das kein Eis wächst. Allerdings ist dank diversen Einträgen auf den einschlägigen Internetforen schon im Vornherein klar, dass dieser Jahrgang auch in Cogne eher mittelmässig ist. Aber eben, in Cogne bedeutet 'mittelmässig', dass man einfach 'nur' etwa 30 anstatt 60 Eisfälle zur Auswahl hat - also immer noch genug für ein halbes Eiskletterleben.
Als Unterkunft wurde kurzfristig im Hotel 'Grand Paradis' gebucht, wir wurden dann aber vom Hotel zu gleichen Konditionen auf das Sant'Orso umgebucht, kamen also in den Genuss von Viersterne-Wellness zu wirklich sehr fairen Preisen. Die Anfahrt gestaltet sich unkompliziert per öV und Taxi, wenn man auf den 15 Uhr Zug in Zürich geht, ist man etwa um 20 Uhr in Aosta und um halb 9 bereits in Cogne. Dabei spart man sich auch die hohe Tunnelgebühr am Grossen St. Bernhard.
Am Sonntag dann erster Eiskontakt: Mit dem gratis Skibus (Abfahrt um 9:15, d.h. etwas spät) fahren wir ins Valnontey. Aufgrund der sehr mageren Schneelage ist die Loipe nicht präpariert, man ist zu Fuss fast ebenso komfortabel unterwegs wie mit den Skis (mit Letzteren spart man im Abstieg allerdings doch etwa 20 Minuten). Wie erwartet ist am Sonntag natürlich Hochbetrieb, am Einstieg des anvisierten 'Patri' stehen mindestens 10 Seilschaften. So wandern wir weiter nach hinten ins Tal. Ein Teil unserer Gruppe steigt zum Flash Estivo hoch, ich peile mit Theo den 'Mondey Money' an. Diese schöne 3-SL Tour befindet sich in unmittelbarer Nähe der 'Repetance'. Obwohl nur etwa 75°, bietet die erste SL bietet bereits eine kleine Mutprobe, weil die Vereisung wirklich eher mager ist und man nicht überall schrauben kann wo man möchte. 
Die zweite SL ist deutlich steiler, und recht hübsch zu klettern. Der Höhepunkt ist dann die dritte SL, wo bereits einige Meter in 85° Gelände geklettert werden dürfen, wobei das Eis natürlich Cogne-mässig zerhackt und zerhookt ist. 
Oben würde dann ein Schneecouloir, gefolgt von einer kurzen Eisstufe folgen. Die schenken wir uns, seilen in 2x60 Meter zurück an den Einstieg ab, und fahren zurück nach Cogne, wo die Sauna und der Whirlpool unter freiem Himmel bereits auf uns warten.

Facts:
Valnontey, "Mondey Money", Wi4, 3 SL.
Hübsche Tour, wobei das Verhältnis zwischen Zustiegsmetern und Klettermeter allerdings besser sein könnte.

Nachdem es gestern mit dem Patri nichts gewesen war, sollte heute zusammen mit Sophie nochmals einen Versuch gestartet werden. Dank dem Taxi (Telefonnummer im Hotel nachfragen) sind wir heute auch deutlich früher vor Ort - wobei wir allerdings immer noch etwa drei Seilschaften vor uns haben. Ist im Patri allerdings kein Problem, es hat immer wieder grosse Schneefelder zwischen den Aufschwüngen, so dass man gefahrlos einsteigen kann. Hier setzt Sophie zum Überholmanöver an in einer sehr empfehlenswerten Variante (etwa Wi3) im unteren Teil:
Nach zwei kürzeren Aufschwüngen befindet man sich im Kessel, von wo man entweder in den Patri gauche (Wi3+) oder in den Patri droite (Wi4+) einsteigen kann. Ziel wäre eigentlich der rechte Fall gewesen, aber dort befindet sich bereits zwei Seilschaften am Werke. So klettern wir zuerst den linken Fall in einer sehr empfehlenswerten, recht anhaltenden Seillänge (etwa 80° auf 30 Meter). Danach abseilen und an den rechten Fall rüberqueren. Diese für einen 4+ recht imposante Kerze lässt sich in einer Seillänge (45 Meter bis zu 90°) klettern, wobei es mehrere kleine Eisbalkone zu ersteigen gilt. Wirklich sehr coole Kletterei. Interessant übrigens die Tatsache, dass es bei uns völlig trocken war, zwei Tage später hingegen läuft das Wasser direkt über die Kerze. Offenbar sucht sich das Wasser regelmässig neue Wege...
Facts:
Valnontey, "Patri", Wi3+ resp. Wi4+, 3+1+1 SL
Sehr schöner Fall mit drei leichten unteren Längen, und zwei interessanten Varianten im oberen Teil. Achtung, sehr vielbegangen, am Wochenende zu meiden!

Am Dienstag ist nochmals schönes Wetter angesagt. Grund genug, zusammen mit Corina einen der leichteren, sonnigen Klassiker auf der Südostseite des Tales zu probieren. Die Wahl fällt auf den "Valmiana", den ich noch nicht kenne. Es sind etwa sechs SL, wobei man auch gut einen Teil parallel gehen könnte. Die Kletter-Highlights sind die erste SL, die sich aufgrund eher magerer Vereisung als ein recht steiler, blumenkohliger Wi3 präsentiert, und die ebenfalls sehr schöne 5. SL. 
Facts:
Valnontey, "Valmiana", Wi3, 6 SL
Sonnige Genusstour mit für Wi3 relativ steiler Einsteigs-SL. 

Der Besuch der Mondey Money am Sonntag hat mein Appetit auf eine Wiederholung der Paradetour von Cogne, der "Repetance Super", geweckt. Mit Theo steht auch ein top-motivierter Mitstreiter bereit. Mit ihm kann ich mich auch gut im Vorstieg abwechseln, was eine gute Voraussetzung für eine erfolgreiche Begehung in dieser anspruchsvollen Tour ist. Heute ist das Wetter schlecht, was aber für das Eis eher gut ist, da die Temperaturschwankung weniger gross ist. Heuer ist auch die Repetance vergleichsweise mager gewachsen. Gerade für diese Tour ist dies allerdings kein Nachteil: Anstelle der teils fragilen Vorhänge vom letzten Mal besteht der Fall dieses Jahr aus einer Abfolge von Balkonen und Rampen, die die Kletterei zwar eher noch steiler als normal gestalten, dafür auch die Absicherbarkeit und die Ruhepositionen deutlich verbessern. Die erste SL (Wi5) lege ich an den linken Rand, für die Crux, ein Boulder über einen riesigen Blumenkohl (etwa 95°), brauche ich doch einen Block. Der Stand mache ich an Schrauben am linken Rand. Wirklich genial ist die zweite Länge, die Theo vorsteigt: Auf den ersten Blick ein Horror-Geschirrladen im Dauerpiss, entdecken wir aber eine versteckte Rampe, die, geschützt durch einen überhängenden Balkon, eine völlig trockene und eindrückliche Kletterei erlaubt. Hier das Ambiente auf der Rampe, wirklich vom Besten:
Nach der Rampe folgt eine kurze Traverse nach rechts, dann geht es nochmals etwa 6 Meter 90° nach oben, wobei man hier leider wieder im Wasserfall (sic!) klettert. Insgesamt checkt diese Länge auf dieser Variante etwa bei Wi5- ein. 
In meiner Erinnerung war die dritte SL über die steile Ausstiegskerze deutlich am schwierigsten. Das ist dieses Jahr nicht anders: Nach einem gemütlichen 'Zustieg' über eine Rampe nach links hoch folgt die eigentliche Ausstiegskerze. Ausgesetztheit pur, eine Eisscholle fällt an dieser Stelle rund 80 Meter runter ohne aufzuschlagen! Allerdings sind hier die Bedingungen deutlich besser als noch vor zwei Jahren: Das Eis ist dick und solide, es hat sogar ab und zu natürliche Tritte. Aber klar, steil ist es trotzdem: Auf rund 15 Meter satte 90°, die ersten zwei Meter sogar leicht überhängend. Meine Kraftausdauer dieses Jahr ist eher suboptimal, ich brauche doch ein paar Rests, bin weit von einem Rotpunktdurchstieg entfernt. Aber ist eigentlich auch egal, Hauptsache das Gesamterlebnis stimmt! Hier Theo im Nachstieg, wirklich eine Hammer-Länge:
Wobei, mit Wi6 hat es dann doch wenig zu tun. Die Kletterei ist zwar ähnlich steil wie beim Crack Baby, aber deutlich weniger anhaltend. Ich denke, bei den aktuellen Verhältnissen wäre Wi5+ eher angebracht.
Jetzt würde ein Schneecouloir, gefolgt von zwei leichteren Ausstiegslängen, folgen. Zeit hätten wir zwar noch genug, aber, nass bis auf die Unterhosen, entschliessen wir uns doch fürs Abseilen. Dazu sind die Aussichten auf Punsch, Plättli und Sauna doch zu verlockend... Hier ein Überblick über die Tour, mit einer italienischen Dreierseilschaft an der Arbeit. Gut sichtbar 'unsere' Rampe ein paar Meter links vom Vorsteiger:

Facts:
Valnontey, "Repetance Super", Wi5+ (Wi6), 3+2 SL
Die Traumtour im Gebiet wartet mit sehr steiler, ausgesetzter, aber dennoch für den Grad sicherer und gut absicherbarer Kletterei auf. Für mich eine der besten und zugänglichsten Touren im Alpenraum in diesem Grad. 

Nachdem doch die Arme etwas gelitten haben, steht am Donnerstag etwas leichter Verdauliches auf dem Programm. Zusammen mit Thomas geht es ins Valeille, wo dieses Jahr leider sehr wenige Fälle stehen. Tutto relativo, Stella artice, stehen nicht. Besser hingegen sieht es auf der Ostseite auf. Unsere Wahl fällt auf die 'Candelabro del Coyote', welche ich vor zwei Jahren bereits geklettert und in sehr guter Erinnerung habe. Ich werde nicht enttäuscht, es sind wirklich zwei sehr schöne Seillängen über die steile Kerze. Spektakel wird vis-a-vis im Cold Couloir geboten, wo eine grosse Lawine abgeht. Zum Glück sind keine Kletterer in diesem Fall!
Nach der Einstiegskerze folgt eine etwas weniger hübsche und deutlich feuchtere zweite SL. Die schneeige dritte Länge schenken wir uns und seilen zurück an den Einstieg ab.
Da es doch noch etwas zu früh für das obligate Plättli in der Bar in Lillaz ist, queren wir rüber zum Tuborg. Dieser Fall habe ich noch nie geklettert, und lockt mit einer anspruchsvollen ersten Seillänge. Aber auch hier deutlich sichtbar der Einfluss des mageren Eiswachstums: Anstelle eines kompakten Vorhangs erlauben mehrere kleine Balkone ein deutlich entspannteres Klettern als in 'normalen' Jahren. 

Facts:
Valeille, "Candelabro del Coyote" und "Tuborg", Wi4+ resp. Wi5-, 3+2 SL
Zwei schöne Eisfälle, die sich gut kombinieren lassen und so einen ausgefüllten Klettertag bieten. Achtung, viele Leute!

Am Freitag haben wir Ruhetag und geniessen ausgiebig das Wellness. Für den Samstag schlussendlich folgt noch ein Halbtagesprogramm: Unsere Wahl fällt auf den Lauson, gleich oberhalb des Parkplatzes im Valnontey. Leider befinden sich bereits ein paar komplett überforderte Seilschaften vor uns, so müssen wir unsere eigene Linie etwas rechts des leichtesten Weges wählen. Das ist halt auch Cogne...

Facts:
Valnontey, "Lauson", Wi3
Schöne Halbtagestour, viel begangen.